Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
Ich hatte andere Dinge im Kopf.«
Sie musste schlucken, als sie seine Augen wieder auflodern sah. Offensichtlich hatte er jetzt auch wieder andere Dinge im Kopf.
»Max«, sagte sie und beugte sich über die Kante des Bottichs, »ich bin so froh, dass du es überstanden hast. Und wieder ein Venator bist - aus dem einzigen Grunde, weil es dafür sorgt, dass du so bleibst, wie du bist.«
Er gab ihr einen schnellen Kuss, doch dann pressten sich seine Lippen zum schon vertrauten schmalen Strich zusammen. »Du weißt, dass auch Lilith froh darüber sein wird.«
Sie hatte das Gefühl, als wäre ein Eimer mit eiskaltem Wasser über ihr ausgekippt worden. Lilith gefiel es besser, wenn Max ein Venator war. Sie behauptete, dass es dadurch viel interessanter wäre, ihn zu unterwerfen. »Du wirst nicht wieder verschwinden, ja? Mich unter dem Vorwand verlassen, du wolltest mich beschützen?«
»Victoria, du weißt, dass das hier« — mit seiner Armbewegung umfasste er den Raum, die verstreuten Kleider auf dem Boden und sie — »nicht bedeutet, dass sich irgendetwas geändert hätte.«
»Doch, das hat es«, erwiderte sie scharf. »Du bist wieder ein Venator, Max, und du hast deine dir so kostbare Verpflichtung zurück. Aber die Dinge haben sich geändert...«
»Ich meinte damit«, sagte er und übertönte sie mit seiner Lautstärke, »dass sich draußen nichts geändert hat. Die Welt ist immer noch die gleiche.« Wieder bewegte er sich, und erneut schwappte Wasser über. Wenn das so weiterging, würde Victoria bald genauso nass sein wie er.
Sie beruhigte sich ein bisschen, bedachte ihn aber immer noch mit einem misstrauischen Blick. »Max, du musst mir versprechen, nie wieder einfach zu verschwinden.«
»Das werde ich dir nicht versprechen, Victoria.«
Sie wandte sich ab, weil sie selbst erschrocken war über die Tränen, die ihr plötzlich in die Augen stiegen, und den stechenden Schmerz in ihrem Bauch. Sie wollte etwas erwidern, traute aber ihrer Stimme nicht.
»Victoria«, sagte Max mit etwas sanfterer Stimme, »du kannst so ein Versprechen auch nicht geben. Die Zukunft könnte alles Mögliche von uns verlangen, und was für einen Sinn hat es, Versprechungen zu machen, die wir vielleicht gar nicht einhalten können?« Er streckte die Arme nach ihr aus und zog sie gebieterisch an sich, sodass sich die Kante des Bottichs in ihre Rippen bohrte. »Dir soll nichts passieren, Victoria, eher würde ich sterben. Verstehst du das?«
Sie entwand sich seinem Griff, blieb aber neben der Wanne hocken. »Damit würdest du es dir leicht machen, Max. Sterben, und die anderen leben weiter. Allein.«
»Hatte ich nicht bereits gestanden, dass ich ein Feigling bin, wenn es um dich geht?«
Sie sah ihn an, sah den düsteren Ausdruck auf seinem Gesicht: die straff gespannte Haut über den hohen Wangenknochen, nicht mal der Anflug von Weichheit in seinen Augenwinkeln. Sein Mund, der eben noch voll und sinnlich gewesen war, bildete jetzt eine verkniffene Linie.
Doch wie sehr es sie auch schmerzte, das, was er dachte, in Worte gefasst zu hören, so wusste sie doch auch, dass er Recht hatte. Erst Tante Eustacia und später Max sagten ihr seit zwei Jahren, dass die Pflicht vor persönlichen Wünschen und Entscheidungen zu stehen hatte. Das Wohl der Allgemeinheit kam immer vor der Sicherheit oder Liebe für ein paar wenige. Das musste so sein.
Es gehörte dazu, wenn man ein Venator war, und es galt insbesondere für Victoria, die Illa Gardella war. Trotz der Liebesaffäre, die sie über fünfzig Jahre mit Kritanu verbunden hatte, war dies Tante Eustacia völlig klar gewesen. Das war der Grund, weshalb sie Max befohlen hatte, sie zu töten.
Aber wenn ich dich hätte umbringen müssen? Ich hätte es nicht tun können. Verstehst du? Ich hätte es nicht tun können. Davor habe ich Angst, Victoria. Dass ich vor so eine Wahl gestellt werde.
Und wenn sie auch nur ein bisschen Verstand besaß, sollte sie vor der gleichen Sache Angst haben.
Keiner von beiden hatte mehr gesprochen, und nur das leise Plätschern des Wassers und die Tropfen, die in unregelmäßigen Abständen herunterfielen, waren zu hören. Dann bewegte Max sich, zog Victoria samt Hemd und allem über den Rand des Bottichs auf seinen Schoss und schlang die Arme um sie, während das Wasser sie in eine sanftere Umarmung zog.
»Du wirst nicht mit jeder meiner Entscheidungen einverstanden sein«, erklärte er. »Und der Himmel weiß, dass ich nicht alles gut finden werde, was du
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