Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
geben würde. Bei dem Gedanken wurde ihm ganz schlecht, und er schob Überlegungen, was die Zukunft wohl bringen mochte, beiseite. Ein Schritt nach dem anderen.
Victoria würde verdammt wütend sein, wenn sie aufwachte und feststellte, dass er fort war, und noch mehr toben, wenn sie erkannte, was er geplant hatte. Er presste die Lippen aufeinander. Er stand zu seiner Entscheidung. Es war die richtige gewesen, so wie immer. Die einzig richtige Entscheidung. Max wusste um deren Folgen.
Das hatte sie, verdammt noch mal, zu verstehen und zu akzeptieren. Genau wie er.
Sie mussten das Portal schließen, und zwar lieber früher denn später, denn beim nächsten Mal würde es ihnen vielleicht nicht gelingen, Wayren zu retten oder die Dämonen zurückzuschlagen.
Es gab keinen besseren Weg. Das musste sie akzeptieren.
Victoria war Illa Gardella, und sie war verdammt schlau. Nachdem sie die Wut und den Schock überwunden hatte, würde sie verstehen.
Es mochte sein, dass sie ihm niemals vergäbe, aber sie würde verstehen, warum er es getan hatte.
Die brennende Wut und der Schmerz waren kein bisschen weniger geworden, seit sie Prag vor fast einer Woche verlassen hatte.
Victoria ritt wie der Teufel und legte jede Nacht nur eine Rast von ein paar Stunden ein. Sie trieb Brim dazu, mit ihrem Tempo Schritt zu halten, obwohl ihre Erschöpfung immer größer wurde. Wayren war, auf Victorias strikte Empfehlung hin, nach Rom zurückgekehrt, wo sie im Konsilium hoffentlich in Sicherheit sein würde. Sie konnten sie immer noch zu sich holen, wenn sie ihre Hilfe brauchten, aber jetzt, wo die Prüfung vorbei war, wollte Victoria Wayrens Sicherheit nicht mehr aufs Spiel setzen.
Und Sebastian und Michalas hatten sich Max angeschlossen.
Sie schwankte zwischen Wut und Erleichterung, dass er die beiden mitgenommen hatte. Er würde Lilith nicht allein gegenübertreten — aber wie hatte er es wagen können, sie zu hintergehen und sich im Dunkel der Nacht mit zwei Venatoren davonzustehlen. Bei Michalas konnte sie es vielleicht noch verstehen, denn der arbeitete seit Jahren mit Max zusammen; aber Sebastian auch noch?
Die Hoffnung, dass sie und Brim die anderen vielleicht einholten, ließ sie in dem schnellen Tempo reiten, aber egal, wie sehr sie sich beeilten, sie fanden keine Hinweise auf sie und trafen auch niemanden, der den dreien unterwegs begegnet wäre. Sie war sich noch nicht einmal sicher, wo Liliths Unterschlupf in Muntii Fägära$ war — ein Umstand, den Max jetzt bestimmt zu seinem Vorteil nutzte.
Sie mochte gar nicht darüber nachdenken, was er sonst noch getan hatte, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Mit ihr zu schlafen, sie in Sicherheit zu wiegen...
Du musst mir versprechen, nie wieder einfach zu verschwinden.
Das werde ich dir nicht versprechen, Victoria.
Ja, tatsächlich nicht. Sie gab sich keinen Illusionen hin; Max hatte auch da schon ganz genau gewusst, was er vorhatte. Wahrscheinlich sogar bereits, ehe er in Prag angekommen war. Tatsächlich hatte sie den Verdacht, dass er es von dem Moment an gewusst hatte, als er erfuhr, dass sie sich die zwei Ringe von Lilith würden holen müssen. Dumme, dumme Victoria, dass sie nicht schon vorher darauf gekommen war, was er plante.
Weil er wusste, dass sie es nie zulassen würde, hatte er ihr die Entscheidung abgenommen.
Zur Hölle mit ihm.
Und dann hatte er auch noch Brim zurückgelassen, der sie abpasste, als sie aus dem Zimmer kam. Er hatte sie abgelenkt und daran gehindert, sofort aufzubrechen. Zumindest hatte Max die Höflichkeit besessen, ihr eine Nachricht zu hinterlassen.
Ich bin derjenige, der am besten mit Lilith fertig wird. Ich werde die beiden Ringe holen. Sie wird sie nicht ohne weiteres hergeben.
Dann hatte er sie in seiner ausgeprägt männlichen Schrift, die perfekt seine ihm eigene Arroganz widerspiegelte, auch noch daran erinnert, dass er ja auch auf den gleichen Trick hätte zurückgreifen können, den sie erst vor ein paar Wochen bei ihm angewendet hatte: Er hätte ihr salvi verabreichen und aufbrechen können, während sie schlief. Mit der schlichten Bemerkung hatte er sie wohl daran erinnern wollen, dass auch sie einmal eine ähnliche Entscheidung getroffen hatte und er sich damit hatte aussöhnen müssen. Es zu vergeben war etwas anderes.
Vergeben, akzeptieren... es lag ihr fern, jetzt darüber nachzudenken. Victoria wollte Max nur finden, ihn in die Finger — wütende Finger - bekommen und ihm zeigen, dass es noch eine andere Möglichkeit
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