Das Buch der Verdammnis (German Edition)
beenden. Nur er kann verhindern, dass das Buch zum Buch der Verdammnis wird und die Mächte des Bösen es für ihre Zwecke nutzen können.“
„ Und wie ist das letzte Buch ausgegangen?“
„ Ich hab nen offenen Schluss gemacht. Im Grunde ist der Kampf zwischen Gut und Böse noch nicht entschieden. Man weiß auch nicht, ob Hank Lester tot ist oder vielleicht noch weiter lebt. Ich wollte mir ein Hintertürchen offen lassen, um die Reihe vielleicht irgendwann mal wieder weiter zu schreiben.“
„ Und dieses Hintertürchen hat es möglich gemacht, dass die Geschichte weiter geht, jetzt, hier bei uns.“
„ Wenn man sich erst mal auf die irrationale Variante einlässt, könnte das eine Erklärung sein.“
Als wir in Meikes Beetle vom Verlag zu ihr nach Hause gefahren waren, hatte ich über das magische Buch nachgedacht. Ich hatte beschlossen, das Unglaubliche für wahr zu nehmen und auf einmal hatte alles einen Sinn ergeben.
„Und warum ist das Buch dann noch nicht fertig, und die Mächte des Bösen haben den Kampf gewonnen“, fragte Meike.
„ Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich denke, dass das magische Buch bestimmte Anforderungen an eine Geschichte stellt. Das heißt, du kannst nicht einfach schreiben: Dann gab es die Schlacht zwischen Gut und Böse und die Bösen gewannen. Nein, das Buch will eine Geschichte, eine echte Geschichte mit allen Forderungen an Logik und Dramaturgie. Vielleicht ist das magische Buch sogar in diesem Fall etwas anspruchsvoller als unsere Leser. Ich glaube, November ist tatsächlich in mein Seminar gekommen, weil er Hilfe gesucht hat. Vielleicht hat er sich überfordert gefühlt von der Ehre, in das magische Buch zu schreiben. Er hat mal erwähnt, dass er eine Schreibblockade hatte. Und du hast ja auch gesehen, dass in dem Buch am Ende noch viele freie Seiten waren. Vielleicht hat sich ja November auch Anregungen von dem Kurs erhofft, vielleicht taucht ja auch irgendeine Idee in seiner Geschichte auf, die die andern im Kurs hatten.“
Ich dachte kurz an Polonskis Wurmgeschichten.
„Aber wenn November seine Schreibblockade überwindet und das Buch zu Ende schreibt, dann gibt es keine Chance, den Lauf der Dinge aufzuhalten.“
„ Darüber habe ich vorhin auch nachgedacht“, sagte ich. „Ich denke, es gibt eine Chance.
Das Ganze hat damit angefangen, dass ich das Gefühl hatte, dass die Figuren der Hank-Lester-Reihe ein Eigenleben hätten. Dass sie zwischen den Zeilen weiterlebten. Ich hatte nicht mehr die Kontrolle über meine Figuren. Und ich denke, dasselbe geschieht jetzt auch November. Was zwischen den Zeilen geschieht, darüber hat er keine Macht. Wenn man etwas tun kann, um diesen November aufzuhalten, dann kann man es nur zwischen den Zeilen tun. Wenn ich auch gar nicht genau weiß, was das heißt.“
Ich nahm wieder einen Schluck von meinem Bier, auf einmal spürte ich, wie müde ich war. Ich sah kurz zu Meike.
„ Ich hoffe immer noch, dass es eine rationale Erklärung gibt“, sagte ich.
Im Morgengrauen lief ich von Meike zu mir nach Hause. Es begann hell zu werden, auf den Straßen war kaum Verkehr und die kalte Luft machte meinen Kopf klar. Die Erlebnisse der Nacht liefen in meinem Kopf noch einmal ab wie ein Film. In der klaren Luft des Morgens wirkte alles unwirklich und bizarr. Doch was geschehen war, ließ mir keine Ruhe. Ich fragte mich, was ich tun könnte, doch ich hatte nicht die geringste Idee. Ich fühlte mich den Geschehnissen ausgeliefert, als wäre tatsächlich schon festgeschrieben, was ich tun und sagen würde. Als folgte ich den Worten eines Buches, Zeile für Zeile bis zu einem Ende, dem ich nicht entkommen konnte.
Am nächsten Morgen war ich um zehn Uhr wach. Ich hatte nur ein paar Stunden geschlafen. Nachdem ich einen Kaffee getrunken hatte, setzte ich mich an den Computer und las in den alten Hank-Lester-Geschichten. Ich hoffte etwas zu finden, das mir helfen könnte, die Ereignisse der Nacht besser zu verstehen.
Ich las alle Folgen über das magische Buch. Doch nirgends gab es einen Hinweis, wie ich die Macht des Buches brechen könnte. Auch war mir klar, dass in der Zwischenzeit schon zu viel geschehen war. November hatte die Geschichte weiter geschrieben und gleichzeitig hatten die Figuren zwischen den Zeilen die Ereignisse beeinflusst.
Am meisten beunruhigte mich, dass ich keine Ahnung hatte, wie weit November mit seiner Geschichte gekommen war. Als er in meinem Kurs erschienen war, hatte er offensichtlich
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