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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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den Putz. Auch Insekten nutzten die Löcher, sodass die Grenzen zwischen der Natur und dem Haus sich immer mehr verwischten. Im Schrank fand er eine ganze Käferversammlung, und Ohrenkneifer erforschten seine Sockenschublade. Nachts hörte er Mäuse unter den Dielen umherlaufen. Es war, als versuche die Natur, Davids Zimmer zu erobern.
    Und was noch schlimmer war, er träumte immer häufiger von dem Krummen Mann, der durch Wälder huschte, die genauso aussahen wie der hinter Davids Fenster. Der Mann trat zwischen den Bäumen hervor und sah hinaus auf eine grüne Wiese, auf der ein Haus stand, genau wie das von Rose. In den Träumen sprach er zu David. Er lächelte spöttisch, und seine Worte ergaben keinen Sinn.
    »Wir warten«, sagte er. »Seid mir gegrüßt, Euer Majestät. Es lebe der neue König!«

4
    Von Jonathan Tulvey und Billy Golding
    und Männern, die an Eisenbahngleisen wohnen
     
     
     
    Davids Zimmer war seltsam gebaut. Die Decke war ziemlich niedrig und ungleichmäßig, mit Beulen, wo keine Beulen hingehörten, und wie geschaffen für emsige Spinnen, um ihre Netze zu spannen. Mehr als einmal hatte David bei seinen Erforschungen der dunkleren Regalbereiche plötzlich die silbrigen Spinnenfäden in seinem Haar und Gesicht, während die Bewohnerin des Netzes hastig in eine Ecke floh, sich dort zusammenkauerte und wütend auf Rache sann. An der einen Wand stand eine Holztruhe mit Spielzeug, an der anderen ein großer Schrank, und dazwischen eine Kommode mit einem Spiegel darauf. Das Zimmer war hellblau gestrichen, sodass es an sonnigen Tagen aussah, als wäre es ein Teil der Welt draußen, vor allem mit dem Efeu, das durch die Wände wuchs, und den Insekten, die Nahrung für die Spinnen boten.
    Es hatte nur ein kleines Fenster, und das zeigte auf den Rasen und den Wald dahinter. Wenn David sich auf den Fenstersitz stellte, konnte er auch den Kirchturm und die Dächer des nahe gelegenen Dorfes erkennen. London lag im Süden, aber es hätte ebenso gut in der Antarktis liegen können, so gründlich schirmte der Wald das Haus von der Außenwelt ab. Der Fenstersitz war Davids Lieblingsplatz zum Lesen. Die Bücher flüsterten und sprachen immer noch miteinander, aber er konnte sie jetzt mit einem einzigen Wort zum Schweigen bringen, wenn er in der richtigen Stimmung war. Und während er las, waren sie ohnehin still, als wären sie zufrieden, sobald er sich den Geschichten widmete.
    Es war wieder Sommer, und so hatte David jede Menge Zeit zum Lesen. Sein Vater hatte ihn ermuntert, sich mit den Kindern aus der Umgebung anzufreunden, von denen einige aus der Stadt hierher evakuiert worden waren, doch David wollte nichts mit ihnen zu tun haben, und sie wiederum bemerkten etwas Trauriges, Distanziertes an ihm und hielten sich von ihm fern. Stattdessen nahmen die Bücher ihren Platz ein. Vor allem die alten Märchenbücher, so fremd und düster mit ihren handgeschriebenen Erzählungen und nachträglich eingefügten Bildern, hatten Davids Faszination für diese Art von Geschichten noch verstärkt. Sie erinnerten ihn nach wie vor an seine Mutter, aber auf eine angenehme Weise, und alles, was ihn an seine Mutter erinnerte, half zusätzlich, Rose und ihren Sohn Georgie auf Abstand zu halten. Wenn er gerade nicht las, bot ihm der Fenstersitz einen perfekten Blick auf eine weitere Besonderheit des Anwesens: den Senkgarten, der dicht bei der Baumgrenze in die Wiese eingelassen war.
    Er sah aus wie ein leeres Schwimmbecken, mit vier Steinstufen, die auf ein rechteckiges Rasenstück hinunterführten, umsäumt von einem Pfad aus Pflastersteinen. Das Gras wurde regelmäßig von Mr. Briggs gemäht, dem Gärtner, der jeden Donnerstag kam, um sich um die Pflanzen zu kümmern und der Natur, wo es nötig war, ein wenig nachzuhelfen. Doch die steinernen Bereiche des Senkgartens waren in einem schlechten Zustand. Breite Risse zogen sich durch die Mauern, und in einer Ecke war ein ganzes Stück herausgebrochen, so groß, dass David sich hätte hindurchzwängen können, wenn er gewollt hätte. Doch David hatte nur einmal den Kopf hineingesteckt, und das hatte ihm gereicht. Der Raum dahinter war dunkel und muffig und voller krabbelnder, kleiner Tiere. Davids Vater hatte gemeint, der Senkgarten wäre ein guter Ort für einen Luftschutzbunker, falls sie eines Tages einen brauchen sollten, doch bisher hatte er lediglich ein paar Sandsäcke und rostige Eisenbleche im Schuppen gestapelt, sehr zum Verdruss von Mr. Briggs, der jetzt immer drum

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