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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Bücher, die darin standen.
    »Nun ja«, sagte sie, »das Haus gehört unserer Familie schon seit sehr langer Zeit. Meine Großeltern haben es gebaut und mit ihren Kindern darin gelebt. Sie hofften, dass es in der Familie bleiben und dass immer Kinder darin leben würden.«
    »Gehörten ihnen die Bücher in meinem Zimmer?«, fragte David.
    »Einige davon«, sagte Rose. »Andere gehörten ihren Kindern: meinem Vater, seiner Schwester und – «
    Sie verstummte.
    »Jonathan?«, sagte David leise, und Rose nickte. Sie sah traurig aus.
    »Ja. Jonathan. Woher kennst du seinen Namen?«
    »Er stand in einigen von den Büchern. Ich habe mich gefragt, wer er war.«
    »Er war mein Onkel, der ältere Bruder meines Vaters, aber ich habe ihn nie kennengelernt. Dein Zimmer war früher seines, und ein großer Teil der Bücher hat ihm gehört. Es tut mir leid, wenn es dir nicht gefällt. Ich dachte, es wäre genau das richtige Zimmer für dich. Ich weiß, es ist ein bisschen dunkel, aber es hat so viele Regale, und natürlich die Bücher. Es war dumm von mir.«
    David sah sie verwirrt an. »Aber warum? Es gefällt mir, und die Bücher auch.«
    Rose wandte sich ab. »Ach, nichts«, sagte sie. »Es ist nicht wichtig.«
    »Doch«, sagte David. »Bitte erzähl es mir.«
    Rose gab nach.
    »Jonathan ist verschwunden, als er vierzehn war. Es ist lange her, und meine Großeltern haben das Zimmer genauso gelassen, wie es war, weil sie hofften, er würde eines Tages zurückkommen. Aber das tat er nicht. Mit ihm verschwand noch ein anderes Kind, ein kleines Mädchen. Sie hieß Anna, und sie war die Tochter von einem Freund meines Großvaters. Er und seine Frau waren bei einem Brand ums Leben gekommen, und mein Großvater hatte Anna bei sich aufgenommen. Anna war sieben. Mein Großvater dachte, es würde Jonathan guttun, eine kleine Schwester zu haben, und Anna einen großen Bruder, der sie beschützt. Tja, und eines Tages sind sie fortgegangen, und dann muss ihnen wohl etwas zugestoßen sein, denn sie wurden nie wieder gesehen. Es war schrecklich traurig. Sie haben so lange nach ihnen gesucht, im Wald und am Fluss, und in allen Städten in der Nähe haben sie nach ihnen gefragt. Sie sind sogar nach London gefahren und haben überall Plakate mit Zeichnungen und Beschreibungen aufgehängt, aber es hat sich nie jemand gemeldet.
    Nach einiger Zeit bekamen sie noch zwei Kinder, meinen Vater und seine Schwester Katherine, aber meine Großeltern vergaßen Jonathan nie, und sie gaben die Hoffnung nicht auf, dass er und Anna eines Tages nach Hause kommen würden. Vor allem mein Großvater kam nie über den Verlust hinweg. Er gab sich die Schuld an dem, was passiert war. Er meinte wohl, er hätte besser auf sie aufpassen müssen. Er ist sehr früh gestorben, wahrscheinlich vor Kummer. Als meine Großmutter starb, bat sie meinen Vater, das Zimmer und die Bücher so zu lassen, wie sie waren, für den Fall, dass Jonathan doch noch zurückkam. Sie verlor nie die Hoffnung. Anna mochte sie natürlich auch, aber Jonathan war ihr ältester Sohn, und ich glaube, es verging kein Tag, an dem sie nicht aus dem Schlafzimmerfenster sah, in der Hoffnung, ihn den Gartenweg heraufkommen zu sehen, älter, aber immer noch ihr Sohn, mit irgendeiner fantastischen Geschichte über sein Verschwinden.
    Mein Vater befolgte ihren Wunsch, er ließ alles so, wie es war, und später, als mein Vater und meine Mutter starben, hielt ich es genauso. Ich habe mir immer eine eigene Familie gewünscht, und ich glaube, ich dachte einfach, Jonathan hat seine Bücher so sehr geliebt, dass es ihm sicher gefallen hätte, wenn eines Tages wieder ein Junge oder ein Mädchen in seinem Zimmer wohnt und sich über sie freut, anstatt dass sie ungelesen vermodern. Jetzt ist es dein Zimmer, aber wenn du lieber ein anderes hättest, finden wir bestimmt eins für dich. Hier ist so viel Platz.«
    »Wie war Jonathan denn so? Hat dein Großvater dir je von ihm erzählt?«
    Rose überlegte. »Nun ja, ich war damals genauso neugierig wie du und wollte alles über ihn wissen. Mein Großvater sagte, er sei sehr still gewesen. Er hat gern gelesen, wie du dir ja denken kannst, genau wie du. Ganz besonders liebte er Märchengeschichten, aber sie machten ihm auch Angst, und die, die ihm am meisten Angst einjagten, las er seltsamerweise am liebsten. Er fürchtete sich vor Wölfen. Ich erinnere mich, dass mein Großvater mir das mal erzählt hat. Jonathan hatte oft Albträume, in denen er von Wölfen gejagt wurde,

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