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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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verzeichnet war. David schob sie sorgsam unter sein Hemd. Dann erklärte die Jägerin ihm, was er zu tun hatte. Sie holte eine riesige Klinge aus dem Stall, schwer und scharf wie eine Guillotine, und befestigte sie mithilfe eines Seilzugs an der Decke über dem einen Operationstisch. Sie stellte die Klinge so ein, dass sie im Fallen ihren Körper in der Mitte durchtrennen würde. Dann zeigte sie David, wie er unmittelbar danach die Salbe auftragen musste, damit sie nicht verblutete, bevor ihr Rumpf mit dem Körper des Pferdes verbunden werden konnte. Immer wieder ging sie jeden einzelnen Schritt mit ihm durch, bis David sich alles eingeprägt hatte. Dann zog die Jägerin sich aus, ergriff eine lange, schwere Klinge und trennte ihrem Pferd mit zwei Schlägen den Kopf ab. Anfangs blutete es stark, aber David und die Jägerin strichen rasch die Salbe über das rote, offene Fleisch des Pferdehalses. Die Wunde rauchte und zischte, als die Mixtur zu wirken begann, und augenblicklich versiegten die Blutströme aus den durchtrennten Adern. Der Körper des Pferdes lag auf dem Boden, und sein Herz schlug noch, während der Kopf mit verdrehten Augen und heraushängender Zunge danebenlag.
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte die Jägerin. »Schnell, schnell!«
    Sie legte sich auf den Tisch, unterhalb der riesigen Klinge. David bemühte sich, nicht ihren nackten Körper anzusehen, und konzentrierte sich stattdessen auf die Vorbereitungen zum Lösen der Klinge, wie es ihm gezeigt worden war. Während er noch einmal die Seile prüfte, packte die Jägerin ihn am Arm. In der rechten Hand hielt sie ein scharfes Messer.
    »Wenn du versuchst wegzulaufen oder mich hintergehst, wird dieses Messer meine Hand verlassen und deinen Körper treffen, bevor du auch nur eine Armeslänge von mir weg bist. Hast du mich verstanden?«
    David nickte. Mit einem Fuß war er ans Tischbein gefesselt. Selbst wenn er es wollte, könnte er nicht weglaufen. Die Jägerin ließ ihn los. Neben ihr stand einer der Glasbehälter mit der wundersamen Salbe. Es war Davids Aufgabe, sie auf ihren verwundeten Körper zu streichen. Dann sollte er die Jägerin vom Tisch auf den Boden setzen und ihr helfen, zu dem Pferd zu kriechen. Sobald die beiden Wundstellen sich berührten, sollte er noch mehr von der Salbe auftragen, damit die beiden Körper zu einem lebenden Wesen verschmolzen.
    »Dann tu es, und beeil dich.«
    David trat zurück. Das Seil, an dem die Guillotine hing, war straff gespannt. Um unvorhergesehene Zwischenfälle zu vermeiden, sollte er es einfach mit seinem Schwert durchtrennen.
    »Bist du bereit?«, fragte David.
    Er legte die Klinge auf das Seil. Die Jägerin holte tief Luft.
    »Ja. Tu es! Jetzt!«
    David hob das Schwert über den Kopf und schlug mit aller Kraft zu. Das Seil riss, die Klinge sauste auf die Jägerin nieder und schnitt ihren Körper in zwei Teile. Sie schrie vor Schmerzen und wand sich auf dem Tisch hin und her, während das Blut aus beiden Körperhälften strömte.
    »Die Salbe!«, rief sie. »Schnell, trag sie auf!«
    Doch stattdessen holte David erneut mit dem Schwert aus und hackte der Jägerin die rechte Hand ab. Sie fiel zu Boden, das Messer noch immer fest im Griff. Mit einem dritten und letzten Schlag hieb David die Kette durch, mit der er an den Tisch gefesselt war. Er sprang über den Pferdekörper und rannte auf die Tür zu, während die Jägerin vor Schmerzen und Zorn schrie wie eine Furie. Die Tür war abgeschlossen, aber der Schlüssel steckte im Schloss. David versuchte, ihn umzudrehen, doch er rührte sich keinen Millimeter.
    Die Schreie der Jägerin hinter ihm wurden immer schriller, gefolgt von einem plötzlichen Brandgeruch. David fuhr herum. Die große Wunde in ihrer Mitte rauchte und blubberte, während die Salbe die Gefäße verschloss. Ihr rechter Arm war ebenfalls mit Salbe bedeckt, und sie goss noch etwas davon auf den Boden, um die abgetrennte Hand zu versiegeln. Mithilfe des Stumpfes und der Kraft ihres linken Armes hievte sie sich vom Tisch herunter.
    »Komm sofort hierher!«, fauchte sie. »Wir sind noch nicht fertig. Ich fresse dich bei lebendigem Leib.«
    Sie berührte mit dem Stumpf ihre rechte Hand und tränkte beides mit Salbe. Augenblicklich verbanden sich die beiden Teile wieder, und sie schob sich das Messer zwischen die Zähne. Auf den Händen schleifte sich die Jägerin über den Boden, immer näher auf David zu. In dem Moment, als ihre Hand sein Hosenbein packen wollte, gab der Schlüssel endlich

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