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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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verspeisten, obwohl Trolle bestimmt nicht besonders gut schmeckten.
    »Ich komme von Norden, dein tatkräftiger Einsatz hat meine Pläne also nicht gestört«, sagte der Reiter. »Aber mir scheint, ein junger Mann, der es fertigbringt, Trolle zu verärgern und sowohl den Harpyen als auch den Wölfen zu entgehen, ist eine gute Gesellschaft. Ich biete dir einen Handel an: Ich bringe dich zum König, und dafür begleitest du mich eine Weile. Ich habe eine Aufgabe zu erledigen, und dabei brauche ich die Hilfe eines Knappen. Es sollte nicht länger als ein paar Tage in Anspruch nehmen, und im Gegenzug sorge ich dafür, dass du sicher zur Burg des Königs gelangst.«
    David hatte nicht den Eindruck, als gäbe es da viel zu überlegen. Die Wölfe verziehen ihm den Tod ihrer Kameraden ganz gewiss nicht, und in der Zwischenzeit hatten sie sicher einen anderen Weg gefunden, die Schlucht zu überqueren. Wahrscheinlich waren sie ihm bereits auf der Spur. An der Brücke hatte er Glück gehabt. Ein zweites Mal würde es vielleicht nicht so gut für ihn ausgehen. Solange er allein auf dieser Straße reiste, war er all denen ausgeliefert, die ihm Böses wollten, so wie die Jägerin.
    »Dann komme ich mit dir«, sagte er. »Vielen Dank.«
    »Gut«, sagte der Reiter. »Ich heiße Roland.«
    »Und ich bin David. Bist du ein Ritter?«
    »Nein, ich bin nur ein einfacher Soldat.«
    Roland beugte sich hinunter und hielt David seine Hand hin. David ergriff sie, und ehe er sich’s versah, saß er schon auf dem Rücken von Rolands Pferd.
    »Du siehst müde aus«, sagte Roland, »und es macht mir nichts aus, auf ein wenig Würde zu verzichten, indem ich dich auf meinem Pferd mitreiten lasse.«
    Er klopfte mit den Fersen gegen die Flanken des Pferdes, und es trabte los.
    David war es nicht gewohnt, auf einem Pferd zu sitzen. Er hatte Mühe, sich den Bewegungen anzupassen, und wurde mit jedem Schritt hart in den Sattel geworfen. Erst als Scylla – so hieß die Stute – in den Galopp wechselte, begann er das Reiten zu genießen. Es war fast, als schwebten sie über die Straße, und selbst mit Davids zusätzlichem Gewicht auf dem Rücken war Scylla schnell wie der Wind. Zum ersten Mal ließ Davids Angst vor den Wölfen ein wenig nach.
    Nachdem sie eine Weile geritten waren, veränderte sich die Landschaft um sie herum allmählich. Das Gras war verbrannt, die Erde aufgerissen und voller Löcher, wie nach einer großen Explosion. Bäume waren gefällt, zu spitzen Pfählen geformt und in den Boden gerammt worden, als hätte jemand versucht, sich gegen einen Feind zu verteidigen. Überall lagen Teile von Rüstungen und verbeulte Schilde und zertrümmerte Schwerter. Das Ganze sah aus wie die Überreste einer großen Schlacht, aber es gab nirgends Tote, obwohl die Erde blutgetränkt war und die Schlammpfützen auf dem Schlachtfeld mehr rot als braun aussahen.
    Und inmitten von alldem war etwas, das nicht hierher gehörte, das so fremdartig war, dass Scylla abrupt stehen blieb und mit dem Huf am Boden scharrte. Sogar Roland starrte es mit unverhohlener Furcht an. Nur David wusste, was es war.
    Es war ein Mark-V-Panzer, ein Relikt aus dem Ersten Weltkrieg. Aus der Kabine auf der linken Seite ragte noch die massige Sechspfünder-Kanone, aber er trug keinerlei Markierung. Genau genommen sah er so sauber und unbenutzt aus, als wäre er direkt aus der Fabrik gerollt.
    »Weißt du, was das ist?«, fragte Roland.
    »Das ist ein Panzer«, sagte David.
    Da ihm im gleichen Moment klar wurde, dass diese Antwort Roland auch nicht viel weiterhalf, fügte er hinzu: »Es ist eine Maschine, so eine Art großer, überdachter Karren, in dem man sich fortbewegen kann. Das da«, er deutete auf das Rohr, »ist eine Kanone, damit kann man schießen.«
    David sprang vom Pferd und kletterte auf den Panzer, indem er sich an den Nieten hinaufzog. Die Luke stand offen. Er konnte das Brems- und Kupplungssystem neben dem Fahrersitz sehen und einen Teil des riesigen Ricardo-Motors, aber nirgends eine Spur von der Besatzung. Es schien in der Tat so, als sei der Panzer nie benutzt worden. Von seinem Aussichtspunkt oben bei der Luke ließ David den Blick über das matschige Schlachtfeld schweifen, aber er konnte keine Panzerspuren entdecken. Es war, als wäre der Mark V einfach aus dem Nichts dort aufgetaucht.
    David kletterte wieder hinunter und ließ sich das letzte Stück fallen, sodass er mit einem Platsch auf dem Boden landete. Blut und Schlamm spritzten auf seine Hosenbeine und

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