Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Behältern, die aus goldenen Fäden oder anderen Metallen gemacht waren, ließen sich diese glühenden Blüten aufbewahren, und alle anderen wurden verzehrt und verbrannt, so dass die Blütenblätter wieder verlorengingen.
Eine Blüte indessen war größer als die anderen, leuchtender und reicher an Gold, und sie schwankte im Wind, doch sie fiel nicht; und sie wuchs, und durch die Wärme ihres eigenen Glanzes bildete sie eine Frucht aus. Als darauf ihre Blütenblätter fielen und geborgen wurden, hing eine Frucht von großer Schönheit von diesem Zweig des Laurelin herab, doch die Blätter des Zweigs wurden welk, schrumpften zusammen und leuchteten nicht mehr. Als sie zur Erde fielen, wuchs die Frucht wundersam, denn aller Saft und Glanz des sterbenden Baums waren darin, und die Säfte dieser Frucht waren wie zitternde bernsteinfarbene und rote Flammen, ihre Kerne wie leuchtendes Gold; ihre Schale jedoch war von vollkommen durchsichtiger Glätte, wie ein Glas, das von innen mit Gold durchtränkt ist, so dass im Inneren das Strömen ihrer Säfte zu sehen war wie zuckende Flammen in einem Ofen. Das Licht und die Fülle dieser Frucht nahmen zu, und ihr Gewicht wurde so groß, dass der Zweig sich niederbog und sie wie eine Kugel aus Feuer vor ihren Augen hing.
Da sagte Yavanna zu Aule: ›Stütze den Zweig, mein Gebieter, damit er nicht zerbricht und die wunderbare Frucht nicht hart auf den Boden fällt; und das wäre der größte Jammer, denn wisset es alle, dies ist die letzte Lebensflamme, die Laurelin tragen wird.‹ Aule aber hatte, seit die Frucht zu reifen begonnen hatte, wie in plötzlichen Gedanken verloren dagestanden, und nun antwortete er: ›Wahrlich, sehr lange haben Varda und ich die verlassenen Wohnungen und Gärten nach Stoffen für unser Werk durchsucht. Nun weiß ich, dass Ilúvatar meinen Wunsch erfüllt hat.‹ Darauf rief er Tulkas zu Hilfe und durchschnitt den Stengel der Frucht, und alle, die das sahen, hielten den Atem an und waren erstaunt über seine Rücksichtslosigkeit.
Sie murrten laut, und manche riefen: ›Weh über ihn, der unseren Baum aufs Neue schändet!‹; und Vána war sehr zornig. Doch niemand wagte es, sich zu nähern, denn Aule und Tulkas konnten sich die gewaltige Flammenkugel kaum auf ihre göttlichen Schultern laden und taumelten unter ihrem Gewicht. Als er ihre wütenden Stimmen hörte, blieb Aule stehen und sagte: ›Haltet ein, ihr Kleingläubigen, und habt ein wenig Geduld.‹ Doch bei diesen Worten machte er einen falschen Schritt, strauchelte, und sogar Tulkas konnte diese Frucht nicht allein tragen, so dass sie fiel, auf den steinigen Grund prallte und zerbarst. Im Nu loderte ein solch blendender Glanz auf, wie ihn selbst die volle Blüte von Laurelin früher nicht hervorgebracht hatte, und die verdunkelten Augen der Vali wurden geblendet, dass sie betäubt zurückfuhren; doch von diesem Fleck stieg eine Säule aus Licht empor und schlug gegen das Himmelsgewölbe, dass die Sterne darüber verblassten und in weiter Ferne der Taniquetil sich mit Röte überzog. Von allen war Aule der Einzige, in dem sich keine Betrübnis regte, sondern er sagte: ›Daraus kann ich ein Schiff aus Licht machen – das sogar noch Manwes Wünsche übertrifft!‹ Und nun verstanden Varda und viele andere, selbst Vána, was er wollte, und waren froh. Sie machten aber einen geräumigen Korb aus geflochtenem Gold, streuten ihn mit den glühenden Blättern der Blüte aus, legten die Hälften der Frucht des Mittags hinein, und viele Hände trugen sie mit Gesängen und voll Hoffnung davon. Als sie bei den Höfen Aules angelangt waren, setzten sie die Frucht nieder, und darauf begann das große Schmieden der Sonne; und diese Arbeit Aules, dessen Werke kaum zu zählen sind, übertraf alle anderen und war ein Wunder an Kunst und Geschick. Aus der vollkommen glatten Schale machte er ein Gefäß, durchsichtig und leuchtend, doch von geschmeidiger Haltbarkeit, denn durch seine eigenen Zaubersprüche bändigte Aule ihre Sprödigkeit, ohne ihre empfindliche Feinheit dadurch im Mindesten zu verringern.
Als man nun den feurigsten Glanz hineingoss, floss er nicht über, wurde nicht getrübt, und das Gefäß litt dadurch keinen Schaden, und doch würde es leichter als ein Vogel durch die Lüfte schweben; und Aule war überglücklich, und er bildete das Gefäß wie ein großes bauchiges Schiff, indem er eine Hälfte der Schale in die andere fügte, um ihm mehr Festigkeit zu geben.
Im Folgenden wird
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