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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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was keine schwere Arbeit ist; und nun stehen sie auf dem großen Platz vor Manwes Toren, das Schiff ist am westlichen Abhang des Berges, und es zittert und zerrt an seinen Fesseln; und sein Glanz ist bereits so mächtig geworden, dass sich Sonnenstrahlen über die Flanken von Taniquetil ergießen und ein neues Licht den Himmel füllt, und die Wasser des Schattenmeeres dahinter werden in ein solches Feuer getaucht, wie sie es noch nie gesehen haben. In dieser Stunde, so heißt es, standen alle Lebewesen, die durch die Welt wanderten, still und verwunderten sich, als nämlich Manwe das Wort an Urwendi richtete und sprach: ›Ziehe nun dahin, wundersamste Jungfrau, gebadet in Feuer, und lenke das Schiff des göttlichen Lichts über die Welt, auf dass Freude in ihre letzten Schlupfwinkel dringe und alle Dinge, die in ihrem Schoß schlafen, erwachen mögen.‹ 13 Urwendi jedoch antwortete nicht, sondern blickte nur sehnsüchtig nach Osten, und Manwe befahl, die Haltetaue zu kappen, und das Schiff des Morgens erhob sich flugs über den Taniquetil, und das Luftrevier nahm es auf.
    Je höher es stieg, desto heller und klarer leuchtete es, bis ganz Valinor von Glanz erfüllt war, die Täler von Erumáni und die Schattenmeere waren in Licht getaucht, und über die dunkle Ebene von Arvalin ergoss sich Sonnenschein; doch kein Glanz konnte die Räume durchdringen, wo Ungweliantes klebrige Netze und dunkelste Dämpfe sich ballten.
    Als nun alle aufblickten, sahen sie, dass der Himmel blau war und sehr klar und schön, doch die Sterne flohen, als der neue Morgen auf die Welt kam; und ein sanfter Wind blies von den kalten Landen, die schimmernden Segel zu blähen, und weiße Dünste schwebten aus den nebligen Meeren von untenzu ihm hinauf, so dass der Bug des Schiffes weißen, luftigen Schaum zu werfen schien. Doch es schlingerte nicht, denn die Mánir, die es umspielten, hielten es an goldenen Seilen, und höher und höher stieg der Sonne große Galeone, bis sie selbst für Manwes Augen nur noch eine Feuerscheibe war, umkränzt mit Schleiern aus Glanz, die gemächlich und majestätisch über den Himmel wanderte.
    Je weiter sie sich auf ihrer Bahn entfernte, desto weicher wurde das Licht in Valinor, und die Häuser der Götter warfen lange schräge Schatten gegen die Wasser der Äußeren Meere, doch Taniquetils mächtiger Schatten wurde nach Westen immer länger und tiefer, und es war Nachmittag in Valinor.«
    Da sagte Gilfanon lachend: »Aber mein lieber Herr, Ihr habt die Geschichte mächtig in die Länge gezogen, denn wie mir scheint, liebt Ihr es, Euch über die Werke und Taten der großen Götter auszulassen; doch wenn Ihr Eurem Wortschwall kein Maß setzt, wird unser Fremdling nicht lange genug leben, um von jenen Dingen zu hören, die in der Welt geschahen, als die Götter ihr endlich das Licht schenkten, das sie so lange zurückgehalten hatten – und solche Geschichten zu hören, meine ich, wäre eine Abwechslung und wohltuend zu hören.«
    Aber Eriol hatte wirklich Lindos angenehmer Stimme mit großem Eifer zugehört, und er sagte: »Erst vor einer kleinen Weile, die den Eldar vielleicht nur wie ein Tag vorkommt, bin ich hergekommen, doch den Namen Fremdling liebe ich nicht mehr; und was immer Lindo erzählt, seine Geschichte kann mir nicht lang genug sein, denn sie ist ganz nach meinem Herzen.«
    Doch Lindo sagte: »Nein, nein, ich habe in der Tat noch mehr zu erzählen; doch, o Eriol, die Dinge, die Gilfanon erzählen könnte, sind des Anhörens wohl wert – wahrlich, niemals habe ich oder ein anderer hier einen ausführlichen Berichtüber diese Dinge gehört. Darum werde ich, so rasch wie möglich, mit meiner Geschichte zum Schluss kommen, doch nach drei Nächten wollen wir uns wieder um das Feuer der Geschichten setzen, und es soll eine Feier stattfinden mit Musik, und alle Kinder aus dem Haus des Verlorenen Spiels sollen sich hier versammeln und zu seinen Füßen sitzen, wenn Gilfanon von den Leiden der Noldoli und der Ankunft der Menschen erzählt.«
    Diese Worte nun erfreuten Gilfanon und Eriol sehr, und auch viele andere waren froh, doch nun fährt Lindo fort:
    »So hört denn also, dass das Sonnenschiff in solch ungeheure Höhen hinaufstieg und dabei immer heißer und heller loderte, dass seine Pracht binnen kurzem größer war, als die Götter es sich je hätten ausmalen können, solange dieses Schiff noch in ihrer Mitte vor Anker lag. Sein gewaltiges Licht drang überallhin, und die Täler, die dunklen Wälder,

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