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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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guten Herzens war und ihren schönen Tanz liebte.
    Darauf begann Beren ihr heimlich durch die Wälder bis zum Kopf der Brücke und zum Höhleneingang zu folgen, und wenn sie hineingegangen war, rief er leise und klagend über den Fluss: ›Tinúviel‹, denn diesen Namen hatte er von Dairons Lippen gehört; und er wusste nicht, dass Tinúviel oft lauschend im Schatten der Höhleneingänge stand und leise lachte oder lächelte. Eines Tages schließlich, als sie allein tanzte, trat er, kühner geworden, vor sie hin und sagte: ›Tinúviel, lehre mich zu tanzen.‹ – ›Wer bist du?‹, fragte sie. ›Beren. Ich bin über die Rauhen Berge gekommen.‹ – ›Wenn du also tanzen willst, so folge mir‹, sagte das Mädchen und tanzte vor Beren dahin und in die Wälder hinein, behende, und doch nicht so rasch, dass er nicht folgen konnte, und von Zeit zu Zeit blickte sie sich nach ihm um, der ihr nachstolperte, lachte und sagte: ›Tanze, Beren, tanze! So wie man hinter den Rauhen Bergen tanzt!‹ Auf diese Weise kamen sie über verschlungene Pfade zur Wohnung von Tinwelint, und Tinúviel lockte Beren über den Fluss, und staunend folgte er ihr hinunter in die Höhle und in die tiefen Hallen ihres Heims.
    Als Beren sich aber vor dem König befand, war er beschämt, und die Erhabenheit der Königin Gwendeling erfüllte ihn mit großer Scheu, und als gar der König zu ihm sagte: ›Wer bist du, dass du ungebeten in meine Hallen stolperst?‹, wusste er nichtszu erwidern. Darum antwortete Tinúviel für ihn und sagte: ›Dies, mein Vater, ist Beren, ein Wanderer, der über die Berge gekommen ist, und er möchte lernen zu tanzen, wie die Elben von Artanor tanzen.‹ Und sie lachte, der König jedoch runzelte die Stirn, als er hörte, woher Beren kam, und er sagte: ›Spare dir deine leichtfertigen Worte, mein Kind, und sage mir, ob dieser wilde Elb aus den Schatten versucht hat, dir ein Leid zu tun?‹
    ›Nein, Vater‹, gab sie zur Antwort, ›und ich glaube, dass sein Herz nicht einen bösen Gedanken hegt, und wenn du nicht willst, dass deine Tochter weint, so sei nicht zu rauh zu ihm, denn meinen Tanz hat er mehr bewundert als jeder andere, den ich gekannt habe.‹ Darum sprach Tinwelint nun: ›O Beren, Sohn der Noldoli, was begehrst du von den Elben des Waldes, bevor du wieder dorthin zurückkehrst, von wo du gekommen bist?‹
    So groß war der Jubel in Berens verwirrtem Herzen, als Tinúviel vor ihrem Vater für ihn sprach, dass sein Mut sich erhob und sein Abenteurergeist, der ihn von Hisilóme über die Eisenberge getragen hatte, wieder erwachte, und er schaute Tinwelint kühn ins Angesicht und sagte: ›Nun wohl, o König, ich begehre deine Tochter Tinúviel, denn sie ist das schönste und lieblichste Mädchen, das ich je gesehen oder von dem ich geträumt habe.‹
    Darob breitete sich Schweigen in der Halle aus, bloß Dairon lachte, und alle, die Berens Worte vernahmen, waren erstaunt, jedoch Tinúviel schlug die Augen nieder, und der König brach beim Anblick des verwilderten und zerlumpten Beren ebenfalls in Gelächter aus, worauf Beren die Schamröte ins Gesicht stieg und Tinúviels Herz um seinetwillen schwer wurde. ›Wohlan! Meine Tochter Tinúviel, das schönste Mädchen der Welt, heiraten und ein Prinz der Wald-Elben werden zu wollen – das zu begehren, ist für einen Fremden gewisslich ein wenig vermessen‹, sagte Tinwelint. ›Vielleicht darf auch ich etwas als Gegenleistung erbitten. Es soll nichts Großes sein, ein Zeichen nur deiner Wertschätzung. Bringe mir einen Silmaril aus Melkos Krone, und an diesem Tag wird Tinúviel, wenn sie will, deine Gemahlin werden.‹
    Da wussten alle, die dort versammelt waren, dass der König aus Geringschätzung gegen den Gnomen das Ganze als groben Scherz ansah, und sie lächelten, weil der Ruhm von Feanors Silmaril inzwischen über die ganze Welt verbreitet war, und die Noldoli hatten Geschichten von ihnen erzählt, und viele, die aus Angamandi entflohen waren, hatten sie in Melkos eiserner Krone strahlend leuchten sehen. Niemals verließ diese Krone sein Haupt, und er hütete diese Gemmen wie seine Augäpfel, und nicht einer auf der Welt, ob Fee, Elb oder Mensch, durfte hoffen, jemals auch nur den Finger auf sie zu legen und am Leben zu bleiben. Das, in der Tat, wusste auch Beren, er erriet, was das spöttische Lächeln zu bedeuten hatte, und zornentflammt rief er aus: ›Nein, das wäre ein zu geringes Geschenk für den Vater einer so lieblichen Braut. Sonderbar

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