Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
Vom Netzwerk:
indessen und ähnlich den rauhen Gesetzen des Menschenvolks erscheinen mir die Bräuche der Wald-Elben. Wie sonst könntest du ungebeten das Brautgeschenk bestimmen? Doch höre: Ich, Beren, ein Jäger der Noldoli, 4 werde dir deinen kleinen Wunsch erfüllen!‹ Und mit diesen Worten stürmte er aus der Halle, während alle erstaunt dastanden; doch Tinúviel weinte plötzlich. ›Das war böse gehandelt, mein Vater‹, rief sie, ›jemanden durch deinen schäbigen Spott in den Tod zu schicken – jetzt nämlich, glaube ich, wird er, durch den Hohn rasend gemacht, die Tat zu vollbringen suchen, Melko wird ihn töten, und niemals wieder wird jemand mit solcher Liebe meinem Tanz zusehen.‹
    Darauf sagte der König: ›Er wird nicht der erste der Gnomen sein, die Melko mit weniger Grund getötet hat. Mag erfroh sein, dass er nicht hier liegt, durch schmerzhaften Zauber gefesselt, weil er in meine Hallen eingedrungen ist und unverschämte Worte gesprochen hat.‹ Gwendeling jedoch sagte nichts, weder tadelte sie Tinúviel, noch fragte sie nach dem Grund ihrer plötzlichen Tränen um diesen unbekannten Wanderer.
    Beren jedoch, Tinwelint und seinen Hallen den Rücken kehrend, wurde von seinem Zorn weit durch die Wälder getrieben, bis er sich den flacheren Hügeln und baumlosen Landen näherte, die drohend die Nähe der öden Eisenberge ankündigten. Erst jetzt spürte er seine Müdigkeit und unterbrach seinen Marsch, und danach begannen die größeren Mühsale. Nächte kamen, voll tiefer Mutlosigkeit, und keinerlei Hoffnung sah er auf seiner Fahrt, und wahrlich, es gab nur wenig Hoffnung, und bald, als er den Eisenbergen folgte, bis er sich den schrecklichen Gefilden von Melkos Behausung näherte, ergriffen ihn die größten Ängste. An diesen Orten lauerten viele giftige Schlangen, Wölfe streiften umher, und noch entsetzlicher waren die streunenden Scharen von Kobolden und Orks – widerwärtige Ausgeburten Melkos, immer unterwegs, Melkos schmutzige Arbeit zu verrichten, Tieren, Elben und Menschen nachstellend, die sie packten und vor ihren Herrn schleppten.
    Viele Male war Beren nahe daran, von Orks gefangen zu werden, und einmal entging er den Fängen eines großen Wolfes erst nach einem Kampf, in dem er nur mit einer Keule aus Eschenholz bewaffnet war; und an jedem Tage seiner Wanderung nach Angamandi erfuhr er neue Gefahren und Abenteuer. Auch Hunger und Durst plagten ihn oftmals, und nicht selten dachte er daran, umzukehren, wäre dies nicht ebenso gefährlich gewesen, wie weiterzumarschieren; aber die Stimme Tinúviels, die bei Tinwelint für ihn bat, widerhallte in seinem Herzen, und des Nachts wollte es ihm scheinen, als höre sein Herz sie zuweilen leise weinen, weit entfernt in den Wäldern ihrer Heimat: – Und so war es auch wirklich.
    Eines Tages trieb ihn der Hunger, in einem verlassenen Lager der Orks nach Speiseresten zu stöbern, doch einige von ihnen kehrten unbemerkt zurück und nahmen ihn gefangen, und sie folterten ihn, töteten ihn jedoch nicht, denn ihr Anführer, der Berens Körperkraft erkannte trotz der Entbehrungen, die ihn zeichneten, dachte, dass Melko vielleicht erfreut sein würde, wenn man Beren zu ihm brächte und er ihm schwere Sklavenarbeit in seinen Gruben oder Schmieden auferlegen könnte. So kam es denn, dass Beren vor Melko geschleppt wurde; trotzdem trug er in sich ein standhaftes Herz, denn in dem Geschlecht seines Vaters glaubte man, die Macht Melkos könne nicht ewig währen, sondern vielmehr würden die Valar am Ende den Tränen der Noldoli Gehör schenken, sich erheben, Melko in Ketten legen und Valinor ein zweites Mal den erschöpften Elben öffnen, auf dass wieder große Freude auf der Erde einkehren werde.
    Melko hingegen blickte voll Zorn auf ihn und begehrte zu wissen, wie ein Gnom, nach seinem Willen ein Sklave von Geburt an, es wagen könne, ohne Erlaubnis in die Wälder zu ziehen, doch Beren erwiderte, er sei kein Entlaufener, sondern entstamme einer Gnomensippe, die in Aryador wohne und sich dort stark mit dem Volk der Menschen vermischt habe. Darauf wurde Melko noch wütender, denn er versuchte unablässig, Freundschaft und Verkehr zwischen Elben und Menschen zu zerstören, und Beren, so sagte er, sei offenkundig ein Anstifter zu verräterischen Taten gegen Melkos Herrschaft, wert, von den Balrogs gefoltert zu werden; Beren jedoch, der die Gefahr erkannte, sagte: ›Glaube nicht, o allermächtigster Ainu Melko, Herr der Welt, dass dies wahr ist, denn wenn es sowäre,

Weitere Kostenlose Bücher