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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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Meinung wurde der König nun immerfort durch die listigen Einflüsterungen Meglins bestärkt. Wisset, dass die Heimtücke dieses Gnomen sehr groß war, und weil er sich viel im Dunkel zu schaffen machte, hieß es: ›Zu Recht trägt er das Zeichen eines finsteren Maulwurfs‹; und durch die Torheit einiger Bergleute und mehr noch durch die nachlässigen Worte bestimmter Verwandter, denen Tuor unvorsichtigerweise etwas anvertraut hatte, erlangte er Kenntnis von dem geheimen Werk und schmiedete einen eigenen Plan dagegen.
    So wurde es tiefer Winter, und für diese Landstriche war es sehr kalt, so dass der Frost über die Ebene von Tumladin zog und Eis auf ihren Weihern lag; doch auf dem Amon Gwareth sprudelten die Quellen fort, und die zwei Bäume blühten, und das Volk vergnügte sich bis zum Tag des Entsetzens, der im Herzen Melkos verborgen war.
    So verging dieser bittere Winter, und auf den Umzingelnden Bergen lag der Schnee höher als je zuvor; doch als die Zeit gekommen war, schmolz ein Frühling von wunderbarer Pracht die Ausläufer dieser weißen Decke, und das Tal trank die Wasser und erblühte in einer Blumenpracht. So kam und verging unter dem Jubel der Kinder das Fest der Nost-na-Lothion oder der Geburt der Blumen, und wegen der guten Aussicht auf das Jahr wurden die Herzen der Gondothlim aufgerichtet; und nun endlich steht das große Fest Tarnin Austa oder die Pforten des Sommers nahe bevor. Ihr müsst nämlich wissen, dass es bei ihnen Brauch war, in einer Nacht um Mitternacht eine feierliche Zeremonie zu beginnen, die fortgesetzt wurde, bis die Morgendämmerung der Tarnin Austa anbrach, und von Mitternacht bis Tagesanbruch war in der Stadt kein Laut zu hören, doch den neuen Morgen hießen sie mit alten Liedern willkommen. Seit ungezählten Jahren war die Ankunft des Sommers so begrüßt worden, mit dem Gesang von Chören, die auf der schimmernden östlichen Mauer standen; und nun kommt auch die Zeit der Nachtwache, und die Stadt ist von silbernen Lampen überschwemmt, während in den Hainen im Geäst der neubegrünten Bäume vielfarbige Lichter schaukeln und leise Musik durch die Straßen zieht; doch bis zur Morgendämmerung erhebt sich keine Stimme zu Gesang.
    Die Sonne ist hinter den Bergen versunken, und das Volk reiht sich emsig und freudig zum Fest auf – und blickt voll Erwartung nach Osten. Seht! Als die Sonne geradeverschwunden und alles dunkel war, erschien plötzlich ein neues Licht, und ein Glühen war da, doch es war hinter den nördlichen Höhen 26 , und die Gondothlim waren verwundert und liefen auf den Mauern und Brustwehren zusammen. Da verwandelte das Wundern sich in Unglauben, als das Licht wuchs und noch röter wurde, und aus Unglauben wurde Angst, als das Volk sah, dass der Schnee auf den Bergen sich rot färbte wie Blut. Und so geschah es, dass die Feuer-Schlangen Melkos über Gondolin kamen.
    Dann kamen Reiter über die Ebene und brachten atemlos Nachricht von den Wachen auf den Gipfeln; und sie berichteten von den feurigen Heeren und den Drachengestalten und sagten: ›Melko greift uns an!‹ Groß waren Furcht und Schmerz in dieser an Schönheit reichen Stadt, und die Straßen und Gassen waren erfüllt vom Weinen der Frauen und dem Jammern der Kinder und die Plätze von den Stimmen der sich sammelnden Krieger und dem Klirren von Waffen. Dort waren die leuchtenden Banner aller großen Häuser und Geschlechter der Gondothlim zu sehen. Gewaltig war die Heerschau vor dem Hause des Königs, und seine Banner waren weiß und golden und rot, und die Zeichen waren der Mond, die Sonne und das Purpurherz. 27 In der Mitte nun stand Tuor, alle Häupter überragend, und seine silberne Rüstung glänzte; und um ihn drängte sich eine Schar der wackersten Kämpfer des Volks. Seht! Alle trugen sie Flügel wie die von Schwänen oder Möwen auf ihren Helmen, und das Zeichen des Weißen Flügels war auf ihren Schilden. Aber das Gefolge Meglins sammelte sich auf demselben Platz, und die Krieger waren schwarz geharnischt, und sie trugen weder Zeichen noch Wappen, aber ihre runden Stahlhauben waren mit Maulwurfsfell überzogen, und sie kämpften mit Äxten, die zwei Schneiden hatten wie Hacken. Dort scharte Meglin, Prinz von Gondobar, vieleKrieger um sich, mit finsteren Mienen und lauernden Blicken, und ein rötliches Glühen lag auf ihren Gesichtern und waberte über die glatten Flächen ihrer Ausrüstung. Seht, alle Berge im Norden standen in Flammen, und es war, als liefen Flüsse aus Feuer die

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