Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Geschichten, die seine Kinderfrau Earendel über den feurigen Melko erzählt hatte, wenn er unartig gewesen war, stellten sich wieder ein und quälten ihn. Doch seine Mutter kam und bekleidete ihn mit einem winzigen Kettenhemd, das sie insgeheim hatte anfertigen lassen, und sogleich war er fröhlich und überaus stolz und schrie vor Vergnügen. Doch Idril weinte, denn in ihrem Herzen liebte sie zärtlich die schöne Stadt und ihr prächtiges Haus, das ihre und Tuors Liebe beherbergt hatte; doch nun sah sie seine Zerstörung näher rücken und fürchtete, dass ihre Vorkehrungen gegen die überwältigende Macht der entsetzlichen Schlangen nichts ausrichten könnten.
Vier Stunden waren es nun noch bis Mitternacht, und der Himmel war rot im Norden, im Osten und im Westen; und die Schlangen aus Eisen hatten die Ebene von Tumladin erreicht,und die feurigen Ungeheuer bewegten sich an den untersten Hängen der Berge, so dass die Wachen gefangen genommen und von den Balrogs grausam gequält wurden, die alles durchkämmten und nur den äußersten Süden verschonten, wo Cristhorn, die Adlerspalte, lag.
Darauf berief Turgon einen Rat ein, und Tuor und Meglin, als königliche Fürsten, gingen dorthin; und Duilin kam mit Egalmoth und Penlod dem Großen, und Rog schritt herbei mit Galdor vom Baum und der goldene Glorfindel und Ecthelion von der Quelle. Auch Salgant machte sich auf, schlotternd ob der Nachricht, und noch andere Edle von geringerem Blut, aber mit ehrlicheren Herzen.
Da sprach Tuor, und dies war sein Plan: Es solle ein gewaltiger Ausfall gemacht werden, bevor das Licht und die Hitze auf der Ebene zu stark geworden waren; und viele stimmten ihm zu, und sie waren nur verschiedener Meinung, ob der Ausfall mit dem gesamten Volk und Heer, Frauen, Mädchen und Kinder eingeschlossen, unternommen werden sollte oder von einzelnen Gruppen, die in verschiedene Richtungen ausschwärmen sollten; und Tuor neigte dem zweiten Vorschlag zu.
Allein Meglin und Salgant rieten anders und sprachen dafür, die Stadt zu halten und zu versuchen, jene Schätze zu bewahren, die sie barg. Heimtücke war es, die Meglin so sprechen ließ, denn er fürchtete, dass jemand dem Verhängnis entrinnen könnte, das er über alle Noldoli gebracht hatte, um seine Haut zu retten, und er hatte Angst, sein Verrat könnte ruchbar werden und die Rache ihn in späteren Tagen ereilen. Salgant hingegen plapperte bloß Meglins Worte nach, von bitterer Angst geplagt, die Stadt zu verlassen, denn er wollte lieber von einer uneinnehmbaren Festung aus Krieg führen, als auf dem Schlachtfeld das Wagnis eingehen, mit scharfen Hieben bedacht zu werden.
Da spielte der Fürst aus dem Hause des Maulwurfs auf die einzige Schwäche Turgons an und sagte: ›Höre, o Herr! Die Stadt Gondolin beherbergt einen Schatz von Edelsteinen und Metallen und vielerlei Dingen von unübertrefflicher Schönheit, geschaffen von den Händen der Gnomen, und all dies wollen deine Fürsten – die, wie mir scheint, tapferer sind als klug – dem Feind überlassen. Selbst wenn der Sieg auf der Ebene dir gehören sollte, wird die Stadt geplündert werden, und die Orks werden mit unermesslicher Beute von hier fortziehen‹; und Turgon seufzte, denn Meglin wusste um seine große Liebe zu den Reichtümern und Schönheiten jener befestigten Stadt 29 auf dem Amon Gwareth. ›Höre!‹, fuhr Meglin fort und legte Leidenschaft in seine Stimme. ›Hast du ungezählte Jahre hindurch umsonst gearbeitet, Mauern von unüberwindlicher Stärke gebaut und Tore, so mächtig, dass sie nicht einzurennen sind; ist die Macht des Berges Amon Gwareth so unbedeutend geworden wie das tiefe Tal oder der Vorrat an Waffen und die unzähligen Pfeile, die dort lagern, von so geringem Wert, dass du in der Stunde der Gefahr all dies beiseite wirfst und nackt gegen Feinde aus Stahl und Eisen zu Felde ziehst, deren Stampfen die Erde erschüttert und deren Tritte die Umzingelnden Berge mit Lärm erfüllen?‹
Und Salgant erhob seine lärmende Stimme, bei dem Gedanken an Kampf zitternd, und sagte: ›Meglin hat recht, o König, höre auf ihn.‹ Und der König befolgte den Rat dieser beiden, obgleich alle Fürsten dagegen sprachen, und vielleicht tat er es gerade deswegen: Darum erwartete nun das ganze Volk auf seinen Befehl den Angriff auf den Mauern. Tuor aber weinte und verließ die Hallen des Königs, und die Männer des Flügels um sich scharend, ging er durch die Straßen zu seinem Haus; und zu dieser Stunde war das Licht
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