Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Wort sprach und wie eine Schlafwandlerin dahinschritt; und Voronwe erzählte ihm, wie er und Idril vor den Toren des Hauses gewartet hätten, während der Schlachtlärm wuchs und ihre Herzen erschütterte; und Idril habe geweint, weil von Tuor keine Nachricht gekommen sei. Schließlich hatte sie den größten Teil ihrer Wachmannschaft mit Earendel in den geheimen Tunnel hinabgeschickt und sie mit herrischen Worten zum Abmarsch gezwungen, doch groß sei ihr Kummer über diese Trennung gewesen. Sie selbst wolle bleiben, sagte sie, und ohne ihren Gebieter wolle sie nicht weiterleben; und dann lief sie umher, sammelte Frauen und Umherirrende und sandte sie eilends in den geheimen Tunnel und kämpfte mit ihrer kleinen Schar gegen Räuber; und niemand konnte sie davon abbringen, ein Schwert zu tragen.
Schließlich waren sie mit einer Bande aneinandergeraten, die ein wenig zu zahlreich gewesen war, und nur mit dem Glück der Götter hatte Voronwe sie von dort weggezerrt, denn alle anderen waren umgekommen, und der Feind brannte Tuors Haus nieder; doch den geheimen Tunnel fand er nicht. ›Dadurch‹, sagte Voronwe, ›verwirrten Erschöpfung und Gram deiner Gemahlin den Geist, und zu meiner großen Besorgnis eilte sie wie toll in die Stadt – und ich konnte sie nicht dazu bewegen, fortzugehen, als der Palast in Flammen aufging.‹
Während Voronwes Erzählung waren sie zu den südlichen Mauern und zu Tuors Haus gelangt, und siehe! das Haus war niedergerissen und die Trümmer rauchten, und darüber geriet Tuor in bitteren Zorn. Jedoch sie hörten Lärm, der anzeigte, dass Orks sich näherten, und Tuor schickte seine Schar so rasch wie möglich hinab in den geheimen Tunnel.
An dieser Treppe nun überkommt die Verbannten großer Jammer, als sie Gondolin Lebewohl sagen; doch haben sienicht viel Hoffnung, jenseits der Berge weiterleben zu können, denn wie sollen sie den Händen Melkos entschlüpfen?
Tuor ist froh, als alle den Eingang durchschritten haben, und sein Herz wird leichter; in Wirklichkeit ist es allein dem Glück der Valar zu verdanken, dass sie alle in den Tunnel gelangen, ohne von den Orks erspäht zu werden. Einige werden nun zurückgelassen, die ihre Waffen ablegen und mit Pickeln arbeiten und von drinnen den Zugang zum Tunnel verschließen, und dann den übrigen so rasch wie möglich folgen; doch als die Flüchtlinge die Treppe herabgestiegen waren und sich auf gleicher Höhe mit dem Tal befanden, wurde die Hitze zur Qual, die das Feuer der Drachen verursachte, die in der Stadt waren, und diese Untiere waren in der Tat nah, denn der Tunnel verlief nicht sehr tief unter der Erde. Durch die Erschütterungen der Erde wurden Felsbrocken gelöst, die herabstürzten und viele zermalmten, und in der Luft waren Rauchschwaden, so dass die Fackeln und Lampen verlöschten. Hier stolperten sie über die Leichname einiger, die vor ihnen aufgebrochen und zugrunde gegangen waren, und Tuor sorgte sich um Earendel; und in dichter Finsternis und voller Angst eilten sie vorwärts. Fast zwei Stunden waren sie in diesem Erdtunnel, und zum Ende hin war er kaum fertiggestellt, sondern an den Seiten unbehauen und niedrig. 32
Dann kamen sie schließlich, um fast ein Zehntel ihrer Zahl vermindert, zur Öffnung des Tunnels, und dieser mündete klugerweise in einer großen Senke, die einst mit Wasser gefüllt gewesen, nun jedoch mit dichtem Buschwerk bestanden war. Hier drängte sich eine große Menge allerlei Volks zusammen, das Idril und Voronwe zuvor durch den verborgenen Weg geschickt hatte, und diese Gnomen weinten leise vor Erschöpfung und Kummer, und Earendel war nicht unter ihnen. Darob ergriff Tuor und Idril große Herzensqual. 33 Auch bei allenanderen war Wehklagen zu hören, denn in der Mitte der Ebene, die sie umgab, ragte in der Ferne Amon Gwareth auf, von Flammen gekrönt, wo einst die schimmernde Stadt, ihre Heimat, gestanden hatte. Feuerdrachen sind über ihr, und durch ihre Tore kriechen Ungeheuer aus Eisen hinein und hinaus, und gewaltig ist die Plünderung durch Orks und Balrogs. Doch für die Anführer liegt darin gleichwohl ein wenig Trost, denn sie können annehmen, dass die Ebene von Melkos Volk fast frei ist, ausgenommen die unmittelbare Nähe der Stadt, denn alle seine bösen Wesen haben sich dorthin begeben, um sich an der Zerstörung zu weiden.
›Deshalb müssen wir nun‹, sagte Galdor, ›von hier aus so nahe wie möglich an die Umzingelnden Berge gelangen, bevor die Morgendämmerung uns überrascht,
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