Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Jahreszeiten noch der Sonne
Weckt ihre alten Herrn im Schlummer hinter der Mauer.
Kein Argwohn stört ihren seligen Traum,
Keines lachenden Glanzes Tanz an des Flusses Saum;
Ob in Schnee gehüllt oder von windigem Regen geplagt,
Ob der März den Staub durch die winkligen Gassen jagt,
Die Ulme sich in Millionen Blätter hüllt und sich wieder entkleidet
Wie Nichts und wieder Nichts in einem überreichen Jahr –
Unbewegt ihr altes Herz, nicht dass es weint, nicht dass es leidet,
Doch fasst es nicht das Unheil dieser Zeit,
Weder das Leid von heut noch die Furcht von morgen:
In den Hallen ihres Traums schwach die Echos verklingen
Wie Geisterstimmen; die Lichter des Tags über ihre Mauern dringen.
Die Stadt gegenwärtigen Leides
In weiter Ferne liegt eine Stadt
Und ein Tal, das eine vergessene Zeit gegraben hat –
Das Grasland war dort weit, und hohe Ulmen sah man kaum;
Und Flussgeruch hing schwer über des Tieflands Saum.
Die Himmel sind und die Erde immer belebt von Weiden, die sprießen,
Wo kleine Bäche gewunden und träge fließen,
Und unten, wo der ziehenden Themse Ufer steigt,
Um die alte, breite Flut, sind die Stämme geneigt,
Und feine Schatten sich auf ihrer Strömung malen,
Wo graue Blätter müde über Silberweihern weinen,
Einen Baldachin webend aus schimmernden Edelsteinen,
Aus Blau und mattem Grün und zitterdünnen Strahlen.
O altersschwere Stadt, wo nur zu kurz ich war,
Ich seh deine erleuchteten Fenster, vieläugig, wunderbar,
Lichter der Menschen, verschwunden nach und nach.
Die matten Sterne sind deine Krone, dein Kleid ist die Nacht,
Und du umfängst mein Herz unsagbar mit Zaubermacht,
Und alte schlafende Tage werden wieder wach.
Alte Morgendämmerungen oder dunkle Abende bringen
Von der Stadt des nämlichen Zwielichts vertrauten Klang.
Du bist die wahre Quelle mir von Verlangen und Weh,
Oft eilt meine Seele zu dir aus den Schlafes Räumen,
Treibt deine breiten, grauen Straßen entlang
Oder zur Nacht durch eine kleine laternenhelle Allee –
Ich denke nicht mehr an anderer Städte Klang,
Vergesse für eine Weile das Verlies in den Bäumen
Und die Stadt der Träume, wo Menschen nicht mehr singen.
Denn dein Herz ist weise, und viele Tränen lösen
Sich um all das Leid dieser Jahre des Bösen.
Deine tausend verzierten Spitzen und Türme
Sind von Echos umrauscht durch die Stürme
Vieler Scharen von Glocken, die läuten,
Dass das blasse Bild prächtiger Tage ersteht,
Das windige Jahre über ferne Pfade verweht;
Und in deinen Hallen singt noch immer dein Geist
Inmitten des jetzigen Leids der alten Erinnerung Melodie,
Von Ängsten und Trauer, doch ohne Hoffnung auf morgen nie.
Höre! Wenn auch kein Gelächter deine Straßen belaubt,
Weil unzeitger Krieg dir viele deiner Söhne raubt,
Kann doch keine Flamme des Unheils deinen Glanz verzehren,
Du, im Gewande trauriger Pracht, gekrönt von Sternenheeren.
Außerdem gibt es zwei Texte, in denen ein Teil des Gedichts Die Stadt gegenwärtigen Leides als eine selbständige Einheit behandelt wird. Der Schluss dieser Texte lautet:
Meine Seele vergisst für eine Weile, dass Menschen weinen
Und schweift dort glücklich umher und singt zwischen Steinen:
»Keine Flamme des Unheils kann deinen Glanz verzehren,
Du, im Gewande trauriger Pracht, gekrönt von Sternenheeren!«
Schließlich gibt es noch ein zweiteiliges Gedicht mit dem Titel »Eriols Lied«. Es sind drei Manuskripte vorhanden. Die letzten beiden sind gegenüber dem ersten leicht verändert, doch das dritte enthält nur den zweiten Teil des Gedichtes.
Eriols Lied
Eriol sang im Raum des Geschichten-Feuers ein Lied, das davon erzählte, wie es dazu kam, dass er auf Wanderschaft ging und am Ende die Einsame Insel und Kortirion, schönste aller Städte, fand.
1.
Vor langen Tagen kamen meine Ahnen
Und wurzelten in dem Lande, das sie gesucht,
In Hainen voller Frucht und in des Flusses Au
Und auf duftenden Ebenen mit hohen Gräsern nur.
Manch einen Sommer brannten die gelben Fahnen
Der Lilien im welligen Schilfverhau,
Und manch Blütenmeer wurde golden zur Frucht
In ummauerten Gärten der großen Flur.
Zwischen den Bäumen dort Narzissen schienen
Im Frühling, und Menschen lachten tief und rein,
Sangen froh bei der Arbeit bis zur Nacht,
Und erhellten den Abend mit einem Lied beim Wein.
Leicht kam dort der Schlaf im Gesumm der Bienen,
In Bauerngärten schwirrend, mit Blumen zuhauf;
Voller Liebe zu der Tage sonniger Pracht
Verlief dort
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