Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
späteren Mythologie in tiefem Gegensatz stehen (und in dieser Passage findet sich eine weitere Spielart mythischer Konzeption: die Vorstellung von der »Herstellung salziger Säfte, aus denen Tränen bestehen« und der von Nienna gewebten schwarzen Wolken, die sich als »Verzweiflung und hoffnungslose Klage, Kummer und schweres Leid« auf der Welt niederlassen). Hier erfahren wir, dass Nienna die Richterin der Menschen ist und ihre Hallen ihren eigenen Namen Fui tragen; einige lässt sie in der Gegend von Mandos wohnen (wo ihre Halle ist), während der größere Teil das schwarze Schiff Mornie besteigt, das diese Toten die Küste entlang nach Arvalin befördert, wo sie in der Dunkelheit bis zum Ende der Welt umherwandern. Aber dagegen werden andere vertrieben, von Melko gepackt und verschleppt und müssen in Angamandi »unheilvolle Tage« erdulden (in welchem Sinne sind sie tot oder sterblich?); und es gibt eine ganz kleine Zahl, die (was am ungewöhnlichsten ist) in Valinor unter den Göttern leben darf. Hier sind wir weit entfernt von dem Geschenk Ilúvatars, durch das dieMenschen nicht an die Welt gebunden sind, sondern diese verlassen, und niemand weiß, wohin sie gehen; 25 und dies ist der wahre Sinn des Todes (denn für die Elben gibt es nur einen »scheinbaren Tod«, siehe Das Silmarillion, S. 51): das letzte und unabwendbare Ende.
Die Vorstellung von den Menschen, die nach ihrem Tod in der Dunkelheit Arvalins umherwandern, »lagern, wo es ihnen gefällt« und »geduldig warten, bis das Große Ende kommt«, lässt sich jedoch ein wenig erhellen. Dabei muss ich mich auf Einzelheiten der veränderten Namen dieser Gegend beziehen, wie sie auf S. 138 dargelegt sind. Aus den frühen Wörterlisten und Wörterbüchern der beiden Sprachen (vgl. Namenverzeichnis im Anhang) geht klar hervor, dass Harwalin und Arvalin (und vermutlich auch Habbanan) »nahe Valinor« oder »nahe den Valar« bedeuteten. Dem gnomischen Wörterbuch ist zu entnehmen, dass Eruman »jenseits des Wohnsitzes der Mánir« bedeutete, also südlich von Taniquetil, wo Manwes Luftgeister hausten. Dieses Wörterbuch macht ebenfalls deutlich, dass das Wort Mánir verwandt war mit gnomisch manos, »ein Geist, der zu den Valar oder nach Erumáni gegangen ist«, und mani, ›gut‹, ›heilig‹. Die Bedeutung dieser etymologischen Verbindungen ist unklar.
Aber es existiert ebenfalls ein sehr frühes Gedicht, welches diesen Landstrich zum Gegenstand hat. Den Notizen meines Vaters zufolge wurde es im Dezember 1915 in Brocton Camp, Staffordshire, oder im Juni 1916 in Étaples geschrieben. Es heißt Habbanan unter den Sternen. Einer der drei Texte hat den altenglischen Titel £āgebletsode felda under £ām steorrum, bei den anderen ist Habbanan im Titel zu Eruman verbessert. Dem Gedicht ist ein kurzer Vorspruch in Prosa vorangestellt:
Habbanan ist nun jener Landstrich, wo man sich den Orten nähert, welche nicht die der Menschen sind. Dort ist die Luft sehr lieblich und der Himmel wegen der Breite der Erde sehr hoch.
Habbanan beneath the Stars
In Habbanan beneath the skies
Where all roads end however long
There is a sound of faint guitars
And distant echoes of a song,
For there men gather into rings
Round their red fires while one voice sings –
And all about is night.
Not night as ours, unhappy folk,
Where nigh the Earth in hazy bars,
A mist about the springing of the stars,
There trails a thin and wandering smoke
Obscuring with its veil half-seen
The great abysmal still Serene.
A globe of dark glass faceted with light
Wherein the splendid winds have dusky flight;
Untrodden spaces of an odorous plain
That watches for the moon that long has lain
And caught the meteors’ fiery rain –
Such there is night.
There on a sudden did my heart perceive
That they who sang about the Eve,
Who answered the bright-shining stars
With gleaming music of their strange guitars,
These were His wandering happy sons
Encamped upon those aëry leas
Where God’s unsullied garment runs
In glory down His mighty knees.
Habbanan unter den Sternen
In Habbanan unter den Himmeln, / wo alle Straßen, auch die längsten, enden, / dort sind ein Klang zaghafter Gitarren / und entfernte Echos eines Liedes, / denn dort versammeln sich Männer im Kreis / um ihre roten Feuer, während eine Stimme singt –/ und überall ist Nacht. //
Keine Nacht wie die unsre, unglückliches Volk, / wo nahe der Erde in dunstigen Strahlen / ein Nebel beim Aufgang der Sterne
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