Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Earendel hat dort vor langer Zeit viele wundersame Geschichten gelesen; und vielleicht ist manch eine dort noch immer zu lesen, falls sie nicht zu Staub zerfallen ist. Die anderen Elben beachteten dies Geschehen nicht übermäßig und waren zuweilen betrübt und ängstlich über die geminderte Fröhlichkeit ihrer Sippe. Melko hatte große Freude daran, arbeitete geduldig und erwartete seine Stunde; doch er kam seinem Ziel nicht näher, denn trotz seiner Bemühungen hielten die Pracht der Bäume, die Schönheit der Gemmen und die Erinnerung an die dunkle Fahrt von Palisor die Noldoli zurück – und unablässig sprach Nóleme gegen Melko und besänftigte Unruhe und Unzufriedenheit.
Schließlich wurde seine Sorge so groß, dass er sich mit Feanor beriet, und sogar mit Inwe und Ellu Melemno (derspäter die Solosimpi anführte), und er nahm ihren Rat an, dass Manwe selbst vom dunklen Trachten Melkos erfahren müsse.
Und Melko, der dies erfuhr, geriet in große Wut über die Gnomen, ging als Erster zu Manwe, verbeugte sich sehr tief und sagte, ihm sei zu Ohren gekommen, dass die Noldoli es gewagt hätten, gegen Manwes Herrschaft zu murren, und dass sie (die Ilúvatar dazu bestimmt habe, die Erde zu besitzen) behaupteten, die Valar, für die sie unbelohnt arbeiten müssten, an Kunstfertigkeit und Schönheit bei weitem zu übertreffen. Schwer wurde Manwes Herz bei diesen Worten, denn lange hatte er gefürchtet, die tiefe Freundschaft zwischen den Valar und den Eldar könne von ungefähr zerbrechen, wohl wissend, dass die Elben Kinder der Welt waren und eines Tages in ihren Schoß zurückkehren mussten. Fürwahr, wer konnte sagen, ob nicht all dies, sogar die scheinbar nutzlose Bosheit Melkos, nur Teil der ursprünglichen Bestimmung war? Doch kalt begegnete der Herr der Götter seinem Zuträger, und siehe, als er ihn gerade weiter befragte, kamen die Gesandten Nólemes dorthin, und als man ihnen Gehör gab, sprachen sie die Wahrheit vor Manwe. Wegen der Anwesenheit Melkos trugen sie ihr Anliegen vielleicht ein wenig unbeholfener vor, als notwendig gewesen wäre, und vielleicht war selbst Manwe Súlimos Herz vom Gift in Melkos Worten angekränkelt, denn wahrlich, die Netze von Melkos Arglist sind fein gesponnen und doch sehr fest.
Gleichwohl, Melko und die Noldoli wurden von Manwe getadelt und entlassen. Melko freilich wurde befohlen, sich nach Mandos zurückzubegeben und dort eine Zeit der Buße zu verbringen; er solle es auch viele Monde nicht wagen, sich in Valmar herumzutreiben, bis das große Fest, das bevorstand, vorüber sei; Manwe aber, der fürchtete, die Unzufriedenheit weniger könne auch die anderen Stämme befallen, befahl Aule,andere Plätze ausfindig zu machen, die Noldoli dorthin zu führen und ihnen eine neue Stadt zu bauen, wo sie wohnen sollten.
Groß war die Betrübnis auf dem Berg von Kôr, als diese Nachricht dorthin getragen wurde, und obgleich alle über die Arglist Melkos erbost waren, gab es nun dennoch eine neue Bitterkeit gegen die Götter, und das Murren war lauter als zuvor.
Wo die Berge sich zur Küste hin öffneten und Kôr erbaut war, floss von Norden her ein kleiner Fluss herab, der Híri hieß, und von hier lief er durch die Ebene zu einem unbekannten Ort. Mag sein, dass er den Weg in die Äußeren Meere fand, denn nördlich der Wurzeln von Silpion verschwand er in einem unwegsamen felsenumschlossenen Tal unter der Erde; und hier beschlossen die Noldoli sich niederzulassen und lieber abzuwarten, bis der Zorn in Manwes Herz verflogen war, denn bis jetzt mochten sie sich auf keinen Fall damit abfinden, Kôr für immer zu verlassen.
Sie gruben Höhlen in die Bergwände des Tales, und dorthin trugen sie ihre Schätze an Edelsteinen, an Gold und Silber und schönen Dingen; ihre alten Häuser in Kôr jedoch widerhallten nicht mehr von ihren Stimmen und waren nur mit ihren Gemälden und gelehrten Büchern gefüllt; und die Straßen von Kôr und alle Wege Valmars waren noch immer voll von leuchtenden Steinen und Marmorstatuen, die von den glücklichen Tagen der Noldoli zeugten, welche sich nun dem Ende zuneigen.
Melko begibt sich nun nach Mandos, und fern von Valinor plant er den Aufruhr und die Rache an den Gnomen und Göttern. Wohlan, während er fast drei Zeitalter in den Gewölben von Mandos zubrachte, hatte er sich dort bestimmte finstere Geister zu Freunden gemacht und sie zum Bösen verführt; große Lande und Gebiete auf der Erde versprach er ihnen zu schenken, wenn sie ihm im Falle
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