Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
der Not hülfen; und nun rufter sie zu sich in die dunklen Schluchten bei Mandos. Von dort schickt er Späher aus, unsichtbar wie die flüchtigen Schatten des blühenden Silpion, und so erhält er Kenntnis vom Treiben der Noldoli und von allem, was auf der Erde geschieht. Nun fügte es sich bald darauf tatsächlich, dass die Valar und die Eldar ein großes Fest abhielten, ebenjenes, von dem Manwe gesprochen hatte und bei dem er, solange es währte, Melkos Anwesenheit in Valmar nicht wünschte. Wisse nämlich, dass sie alle sieben Jahre einen Tag festlich begingen, um die Ankunft der Eldar in Valinor zu feiern, und jedes dritte Jahr ein kleineres Fest abhielten, um der Ankunft der weißen Flotte der Solosimpi an den Küsten Eldamars zu gedenken; aber in jedem einundzwanzigsten Jahr, wenn diese beiden Gedenktage zusammenfielen, feierten sie das großartigste Fest, das sieben Tage währte, und deshalb wurden diese Jahre die »Jahre der Doppelten Freude« genannt; 29 und wo auch immer in der Welt die Koreldar nun sein mögen, feiern sie diese Feste noch immer. Das Fest, das nun bevorsteht, ist eines der Doppelten Freude, und die Scharen der Götter und Elben machen sich bereit, es mit der größten Pracht zu begehen. Da gab es Festzüge und lange Prozessionen singender und tanzender Elben, die sich von Kôr bis zu den Toren Valmars wanden. In Erwartung dieses Festes war eine Straße angelegt worden, die vom Westtor von Kôr geradewegs zu den Türmchen des mächtigen Bogens führte, der sich in den Mauern Valmars nach Norden zu den Bäumen hin öffnete. Aus weißem Marmor war sie gemacht, und viele liebliche Bäche, die von den fernen Bergen herabflossen, kreuzten ihre Bahn. An diesen Stellen schwang sich die Straße über schmale Brücken, wunderbar eingefasst mit zierlichen Geländern, die wie Perlen leuchteten; dieseberührten fast das Wasser, so dass Lilien von großer Schönheit, die in den sanft in die Weite ziehenden Bächen wuchsen, sich mit ihren weißen Blüten über die Straßenränder drängten und Schwertlilien sie säumten; denn sinnreiche Rinnen hatte man gegraben, in denen das klarste Wasser von Bach zu Bach floss, das den ganzen langen Weg mit dem erfrischenden Getön seines Rieselns begleitete. Hier und da wuchsen mächtige Bäume zu beiden Seiten, oder die Straße mündete in einen freien Platz, wo Fontänen durch Zauberkraft hoch in die Luft stiegen, um alle zu erquicken, die diesen Weg beschritten.
Nun kamen die Teleri, angeführt vom weißgekleideten Volk der Inwir, und das Schlagen ihrer versammelten Harfen ließ die Luft süß erbeben; und hinter ihnen gingen die Noldoli, durch Manwes Nachsicht noch einmal mit ihrem Volk vereint, auf dass sein Fest gebührend begangen werde, doch der Süße der Musik, die sie ihren Violen und Flöten entlockten, war nun mehr Schwermut beigemischt als je zuvor. Und zuletzt kamen die Völker der Küste, und ihr Flötenspiel, verwoben mit Gesang, trug den Hall der Gezeiten und flüsternden Wogen und den klagenden Schrei der meerliebenden Vögel tief ins Land und auf die Ebene.
Darauf wurden alle Scharen vor dem Tor von Valmar aufgestellt, und auf das Wort und Zeichen Inwes hin stimmten sie wie aus einem Munde und im Gleichklang das Lied des Lichts an. Dies hatte Lirillo 2 verfasst und sie gelehrt, und es erzählte von der Sehnsucht der Elben nach dem Licht, von ihrer schrecklichen Wanderung durch die finstere Welt, getrieben vom Verlangen nach den Zwei Bäumen; und es sang von ihrer höchsten Freude, die Gesichter der Götter zu schauen, und von ihrem wiedererweckten Wunsch, noch einmal Valmar zu betreten und durch die geheiligten Höfe der Valar zu wandeln. Da öffneten sich die Tore Valmars, und Nornore forderte sie auf einzutreten, und die strahlenden Scharen schritten hindurch. Dort empfing sie Varda, inmitten der Scharen der Mánir und der Súruli stehend, und alle Götter hießen sie willkommen, und dann begann in den großen Hallen das Fest.
Es war nun ihr Brauch, am dritten Tag sich in Weiß und Schwarz zu kleiden, den Gipfel des Taniquetil zu besteigen, und dort sprach Manwe zu ihnen, wie er es für angemessen hielt, von der Musik der Ainur, dem Ruhm Ilúvatars und den Dingen, die sein würden und gewesen waren. Und an diesem Tage lagen Kôr und Valmar in friedlicher Stille, doch das Dach der Welt und der Hang des Taniquetil leuchteten von den strahlenden Gewändern der Götter und Elben, und alle Berge widerhallten von ihren Stimmen – doch danach, am
Weitere Kostenlose Bücher