Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
Versteckt Euch, falls Ihr nicht schafft es bis dorthin!“
„Aber ich sehe es nicht mehr, es ist verschwunden!“
„Eilt Euch! Versteckt auch das Buch!“
„Aber warum sagt Ihr das? Was ist mit Euch?!“
„Ich folge Euch!“ Im Gehen ließ er den Rucksack von den Schultern gleiten und warf ihn in einem sanften Bogen die Böschung hinunter. Hedwigs Kopf flog herum.
„Was tut Ihr da?!“, kreischte sie. „Master Ryss!“
Sie drehte sich ganz zu ihm um und sah ihn entsetzt an.
„Ohne Rucksack ich kann mich besser zur Wehr …“ Er unterbrach sich, stockte. Starrte in Hedwigs aufgerissene Augen, sah gleichwohl etwas anderes, eine Möglichkeit, ließ den Blick schweifen, den Hang hinauf, hinunter.
„Was ist? Was habt Ihr?“, fragte sie atemlos.
„Hört zu. Vielleicht wir können nicht erreichen das Dorf vor ihnen. Wir müssen verstecken uns wie schon einmal. Geht umher, trampelt herum. Macht Spuren, auf und ab und seitlich.“ Er deutete zur Böschung hinauf. „Und dann kommt zurück zu mir.“
Er glitt vorsichtig den Hang hinab. Einen Stein brauchte er. Mehrere. Sein Herz schlug schneller, als er bei seinem Rucksack anlangte, den Stock neben ihm in den Schnee hieb, ihn hastig öffnete und die Schleuder suchte. Er fand sie, wand sie um den Gürtel und schloss den Rucksack. Er stolperte abwärts, zu dem Bachlauf hin, wich Strauchwerk und dürren Bäumen aus, abgebrochenen Ästen, an denen noch rehbraunes Laub hing. Vereinzelt Steinbrocken, weiß behütet, Verwehungen und Tierspuren. Er hoffte, in dem Durcheinander würde man ihre Fußstapfen nicht deutlich erkennen können. Nah beim Ufer kauerte ein schneebedeckter Busch zwischen Baumstämmen. Er stapfte darauf zu. Der Bach selbst bahnte sich seinen Weg an allerlei Gehölz und Strauchwerk vorbei. Äste lagen quer, Hölzer, verworrenes und verwachsenes Gesträuch, alles mit weißer Schneehaube, die sich abhob vom klaren Braun des Wassers, an dessen Grund er Kiesel erhoffte. Suchend ließ er den Blick schweifen, ging einige Schritte zurück. Zwei, drei Steine, etwa einen Handteller groß, es musste doch welche geben! Er entdeckte, was er brauchte. Die Uferböschung war recht flach, er setzte seine Schritte mit Bedacht. Er wollte in die Hocke gehen, als er rutschte. Mit den Armen rudernd erlangte er das Gleichgewicht wieder, doch mit dem linken Fuß patschte er ins Wasser.
Damo
! Ein Bein im Wasser, das andere leicht erhöht auf der schrägen Böschung, schlug er den Mantel zurück, streifte den Pulswärmer vom Arm und warf ihn von sich. Er bückte sich und fischte Steine aus dem Eiswasser. Es drang durch den Ärmel seines Wamses, ließ seine Finger zu Eisklumpen werden. Die Steine sanken klackernd in den Schnee. Mehr ging nicht. Raus hier. Ihn schauderte vor Kälte.
Er war kaum drei Schritt die Böschung hinaufgestakt, die Steine im hochgeschlagenen Mantel haltend, als Hedwig heraneilte. „Habt Ihr getan, was ich sagte?“, fragte er.
„Ja.“
Er deutete zum Busch. „Verbergt Euch dort mit Juli und dem Buch. Dort Ihr seid nicht zu sehen von oben.“
„Und Ihr?“
„Ich gehe hinter Bäume oberhalb des Pfads. Mit Glück sie reiten weiter, folgen jener anderen Spur, der auch wir folgten. Falls nicht …“ Er hielt die Last im Mantel seitlich von sich weg und ließ sie die Schleuder an seinem Gürtel sehen.
„Aber das ist doch dumm! Eine Schleuder mag einer Taube den Garaus machen, aber doch keinesfalls zwei Übeltätern. Wenn Ihr einen trefft, ist da immer noch der andere. Und was, wenn Euer Wurf danebengeht?“
„Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich muss versuchen es. Ihr bleibt verborgen hinter dem Busch.“
„Das kommt nicht infrage! Ich komme mit Euch.“
„Das Ihr tut nicht!“ Mit der freien Hand packte er dieses störrische Mädchen an der Schulter und schüttelte es. „Ich bleibe
allein
. Ihr habt das Buch – und wo Ihr seid, ich weiß nicht –, ich kann erzählen ihnen, was ich will. Ihr müsst still sein! So Ihr habt Hoffnung. Und ich auch!“
Sie wollte etwas erwidern, doch er deutete wortlos auf das Gebüsch. Da wandte sie sich um und ging darauf zu. Er selbst tat einige Schritte, sah sich nach ihr um, strauchelte schließlich die Böschung hinauf, hielt die Last im Mantel mit der einen Hand fest, während er die andere benutzte, um sich abzustützen. Er schlitterte, rutschte, doch ein querliegender Ast gab ihm Trittschutz. Es war eine Plage, er hatte kein Gefühl mehr in den eiskalten Händen. Die Wolle der Pulswärmer
Weitere Kostenlose Bücher