Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
Mund: »Pass doch auf, wo du hingehst, du fetter Penner!«
Bei näherem Hinsehen machte der Weihnachtsmann einen ziemlich unheimlichen Eindruck, und Sanchez entdeckte Blutflecken in seinem Bart. Außerdem stank der Kerl wie nach einer durchzechten Nacht – ein Geruch, den Sanchez natürlich nur zu gut kannte. So rochen die meisten seiner Gäste auch, wenn sie im Tapioca auftauchten. Angesichts dieser Fahne war Sanchez überrascht, dass der dicke Kerl überhaupt so früh wach war. Was auch immer der Grund dafür sein mochte – der Weihnachtsmann war eindeutig kein Frühaufsteher. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, war er nämlich kurz davor, Sanchez den Kopf abzureißen. Offenbar hatte er die Bemerkung eben über seine Figur und seine Obdachlosigkeit irgendwie übel genommen. Hier war wohl schleunigst eine Entschuldigung angebracht.
»Hey, sorry«, sagte Sanchez. »Ich hatte einfach nicht gleich gesehen, dass Sie im Auftrag des Herrn unterwegs sind und so.« Er griff in seine Jacke und holte einen silbernen Flachmann heraus, den er dem wütenden Weihnachtsmann hinhielt. »Ein Schluck aufs Fest?«, fügte er mit einem gezwungenen Lächeln hinzu.
Der Weihnachtsmann sah erst die Flasche und dann Sanchez misstrauisch an. »Was ist da drin?«, knurrte er.
»Ist so was Ähnliches wie Weihnachtspunsch, kennen Sie ganz bestimmt. Sie können den Flachmann auch gern behalten. Fröhliche Weihnachten.«
Der Weihnachtsmann nahm die Flasche und sein wütender Gesichtsausdruck entspannte sich etwas. »Ihnen auch, Detective«, sagte er und ging dann weiter die Treppe hinauf.
Sanchez seufzte erleichtert und lief nach unten. Das Buch des Todes lag am Fuß der Treppe in einer dreckigen Pfütze aus Schneematsch. Den hatte bestimmt der fette Weihnachtsmann mit seinen Stiefeln reingeschleppt. (Dessen Laune sich nebenbei bemerkt wieder rapide verschlechtern würde, sobald er einen Schluck aus der Flasche nahm. Da war Sanchez sicher.) Er hob das Buch auf, säuberte es von Schnee und Schmutz und ging zu seinem Wagen.
Oben in der Bibliothek saß Josh und überlegte, ob Sanchez jetzt wirklich Polizist war oder doch eher schwul und einfach nur rumlief wie einer von den Village People. Ein ziemlich ungehalten aussehender Weihnachtsmann, der plötzlich vor seinem Tisch auftauchte, riss ihn aus diesen Gedanken.
»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte Josh.
Der Weihnachtsmann beugte sich über den Tisch. »Ich suche die Referenzabteilung.«
»Da drüben.« Josh zeigte über die rechte Schulter des Weihnachtsmanns. »Sind Sie Bibliotheksmitglied?«
»Nein.«
»Dann müssen Sie nachher das Formular für neue Mitglieder ausfüllen, wenn Sie sich ein Buch ausgesucht haben.«
Der Weihnachtsmann bleckte die Zähne, die erstaunlich scharf und spitz waren. Dann drehte er den Verschluss von einem silbernen Flachmann ab und schaute Josh an. »Ich suche das Buch des Todes «, sagte er mit einer unheimlich heiseren Stimme, die so gar nicht zum Liebling aller Kinder dieser Welt passen wollte. »Wie ich höre, soll es in der Referenzabteilung stehen. Hast du es gesehen?«
Josh wusste, wo das Buch war. Sanchez hatte es ja eben erst für die Polizei ausgeliehen. Aber was wollte dieser Kerl jetzt damit? War er ein Verbrecher? Und was hatten eigentlich auf einmal alle für ein Interesse an dem Buch des Todes? Während Josh noch überlegte, probierte der Weihnachtsmann einen Schluck aus dem Flachmann. Eine Sekunde später riss er die Augen auf und spuckte die Flüssigkeit in Joshs Gesicht und auf sein Hemd.
Josh wischte sich das Zeug von den Wangen. »Was soll der Scheiß?«, stöhnte er und roch an seiner Hand, die jetzt nach Pisse stank. Normalerweise wäre er komplett ausgeflippt, aber weil dieser Kerl vor ihm wirklich beeindruckend groß war, beschloss er, besser einfach seine Frage zu beantworten. »Sanchez Garcia hat das Buch, nach dem Sie suchen. Der ist gerade hier raus. Wahrscheinlich sind Sie ihm auf der Treppe begegnet. Kleiner, fetter Typ in Polizeiuniform.«
»Was?«, quetschte der Weihnachtsmann mühsam heraus, der noch immer würgen musste.
»Sanchez – der hat das Buch.«
Der Weihnachtsmann warf den Flachmann nach Josh. Er traf den Jungen hart am Kopf und eine weitere Pissedusche ergoss sich über ihn. Sanchez’ legendärer Selbstgebrannter hatte mal wieder ein neues Opfer gefordert.
»Den mach ich kalt, verdammt!«, bellte der Weihnachtsmann.
Während Josh sich noch die Pisse aus den Augen wischte, war der
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