Das Buch des Wandels
den Begriff des Kreativen ins Zentrum der Debatte um die Zukunftsökonomie zu stellen.
Kreativität von creare – schöpfen.
Kreativität auch im Sinne von crescere – wachsen, wachsen lassen (das vielleicht den Wortstamm mit creare teilt). Ein eher der östlichen Philosophie entsprechender Wachstumsbegriff, der die inneren Prinzipien der Schöpfung benennt.
Kreativität im Sinne neuer, intelligenter, komplexer Problemlösungen auch für soziale und mentale Prozesse.
Kreativität ist, anders als Wissen, kein Herrschaftsbegriff. Jeder kann kreativ sein, ohne drei Studienabschlüsse zu benötigen. Kreativität ist das, was uns mit der natürlichen Welt verbindet: Die Natur ist kreativ, indem sie mit Formen, Farben, Prinzipien spielt. Kreativität ist aber auch das, was Menschen eigentlich lieben . Wenn sie ihre Komfortzonen verlassen können, ohne von Angst überwältigt zu werden, suchen alle Menschen nach der Befreiung ihrer schöpferischen Kräfte.
Kreativität weist keinen verkrampften Appellcharakter auf, wenn wir das Wort richtig gebrauchen. Obwohl in der Industriekultur nicht selten denunziatorisch benutzt (»Kreativ sein können wir selber« – »Wer keine Ahnung hat, wird kreativ« – »Ist doch alles nur Makramee-Hobby mit Schleiertanz«), bietet sie einen zugänglichen Raum der Erkenntnis. Kreativität ist im Kern ein demokratischer, weltoffener Begriff. Kreativität ist in vielerlei Hinsicht das, was alle Menschen über alle Irrtümer und Prägungen, alle Fehler und Unzulänglichkeiten hinweg verbindet. Wir können neu beginnen, das zeichnet uns als Menschen aus.
Zum Kreativsein brauchen wir keinen »Genius«, keine erleuchtete, rasende Schaffenskraft. Wir müssen nicht alle Künstler sein. Wie formuliert es Mihaly Csikszentmihalyi in seinem Standardwerk »Kreativität«?: »Ein kreativer Mensch ist eine Person, deren Denken und Handeln eine Domäne verändert oder eine neue Domäne begründet.« 14 Das geht eben nicht nur durch »Kreativität« im Sinne des Überragenden, sondern auch durch Zähigkeit, Glück, Zufall, graduelle Veränderung. Es entsteht im Handwerk ebenso wie in simplen Dienstleistungen, in der geistigen Arbeit wie im moralischen Business. »Soziale Entrepreneure« können kreativer sein als heiße Startups. Nicht die Utopisten haben die Welt positiv verändert, sondern die Bastler, die Tüftler, die »Nicht-Aufgeber« – diejenigen, die wissen wollten, wie es anders gehen kann.
Gut 150 Jahre nach dem Kommunistischen Manifest, dessen Pathos und schneidende Kälte die Geschichte fatal beeinflusste, ist es deshalb an der Zeit, ein neues Manifest zu formulieren.
Das kreative Manifest
Ein Gespenst geht um in Europa, in Amerika, und längst auch in der ganzen Welt. Es ist das Gespenst der kreativen Gesellschaft.
Viele Mächte des alten Denkens haben sich dagegen verbündet. Die Medien, die nur an Krawall und Negativität interessiert sind. Die alten und die jungen Ideologen, die wieder vom »Hauptwiderspruch« träumen und vom Klassenkampf à la 19. Jahrhundert. Die Reaktionäre und Kurzdenker aller Lager, die Vertreter der alten industriellen Interessen, die immer noch in den gleichen Kategorien denken wie im Zeitalter der großen Maschine.
Doch längst wird die Macht der Kreativität auch von ihren Gegnern anerkannt. Und deshalb ist es hohe Zeit, dass die Kreativen aller Länder ihre Absichten und Werte bekunden.
Viele Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, war die Gesellschaft vom Widerstreit abgrenzbarer Klassen und Interessen bestimmt. Oben und Unten, Kultur und Gegenkultur, Avantgardisten und Reaktionäre kämpften gegeneinander. Wer über die Macht verfügte, verfügte über die Ressourcen. Nahrungsmittel, Bodenschätze und Kapital waren die Träger der Knappheiten und der Macht. Wer Geld hatte, der konnte viel, wenn nicht alles bewegen. Glück war definiert in den Kategorien des monetären Erfolges, der Matrix der Waren und des Verbrauchs.
Aber das Glück der Menschen besteht in weit mehr als nur der Sattheit und Zufriedenheit, der Sicherheit des durch eine »Arbeitsstelle« garantierten Konsums.
Das Zentrum dieser alten Welt war die Lohnarbeit, in der das »eherne Gehäuse der Hörigkeit« der alten Feudalgesellschaften weiterlebte. Diese Lohnarbeit wurde in vielen Kämpfen gezähmt und moderiert, sie entwickelte sich für den größten Teil der Bevölkerung zur Matrix des Lebens, zum Fetisch des Seins. Was wir – oder besser die Männer – verdienten, wo, in
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