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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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kursierendes ethnisches Klischee. Es handelt von der »Leichtigkeit« uigurischer Mädchen und der sexuellen Potenz uigurischer Männer. Die Uiguren sind eine Minderheit in China, die seit Jahrzehnten Geld mit Tänzen und leichtbekleideten Darbietungen verdienen. Sie gelten als »rassig« und »emotional«, ihre Kultur als »orientalisch«, »locker« – obwohl die meisten Uiguren Moslems sind. Auf dem chinesischen Reiseführer »Reisewissen Xinjiang« prangte 2007 die Überschrift: »Besuchen Sie endlos viele Mädchen, die endlos tanzen!« Darstellungen von Uiguren zeigen gerne halb verhüllte, verführerisch blickende Schönheiten, die auf Teppichen liegen, im Hintergrund Minarette, Kamele und Sonnenuntergänge. Für die erotisch eher verklemmte (han-)chinesische
Kultur dürfte das eine ähnliche Wirkung haben wie die Mär von den leichten Französinnen und rassigen Italienerinnen auf die Landser im Zweiten Weltkrieg.
    Ein Reporter der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua fragte Huang Cuilian später, warum sie im Wohnheim solche Angst gehabt habe. Sie habe die beiden Uiguren als »unfreundlich empfunden«, antwortete sie. Einer von ihnen habe mit dem Fuß aufgestampft. »Später ist mir klar geworden, dass er sich bloß über mich lustig gemacht hat.«

Kulturen des Denkens
    Jede Zeit und jede Kulturform produziert eine eigene Denkweise. Jäger-und-Sammler-Gesellschaften »denken« über ihre Umwelt in Kategorien der Tierbewegungen und der »magischen« (weil nicht kontrollierbaren) Naturkräfte. Agrargesellschaften strukturieren ihr Denken in Zyklen und Rhythmen, analog zu Ernte- und Jahreszeiten, in den Kategorien der Planung und des Vorrats. Das mechanisch-industrielle Zeitalter, dessen Ende wir heute erreicht haben, nutzte als Grundfigur für das Denken die Maschine und die Mechanik, später den Computer. »Intelligenz« zum Beispiel wird auch heute noch als eine Art »Rechenkraft« definiert. Intelligenztests ähneln mathematischer Mustererkennung, wie man sie seit Jahrzehnten versucht, Computern beizubringen: »Finden Sie in fünf Sekunden die Unterschiede zwischen den Figuren!«
    Um über die Zukunft, die möglichen Evolutionswege des Denkens, nachzudenken, müssen wir uns zunächst die verschiedenen Modi Operandi bewusst machen, in denen unsere kognitiven Operationen funktionieren:
    Das magische Denken. In den archaischen Kulturen sind alle Erscheinungen der Umwelt unmittelbare Projektionen innerer Zustände. Warum hat der Mond eine so seltsame rote Farbe? Weil ein Stammesmitglied heute Nacht gewalttätige Gedanken hegt.
Warum hat es nicht geregnet? Weil die mächtigen Anakondas, die im Himmel hausen und den Regen mit ihrer Spucke erzeugen, bei der letzten Jagd gestört und irritiert wurden …
    Veränderung kann in einem solchen Universum nicht durch direkte Handlung erfolgen, sondern nur durch Verbündung mit höherer Macht. Traditionen und Wissen bleiben unveränderbar, sie gehören immer den Älteren oder den ewigen Geistern. Magisches Denken bietet Tröstung, Gemeinschaft, Bewältigung und in den meisten Fällen auch Heilung – im Rahmen der Möglichkeiten eines prekären Mensch-Natur-Verhältnisses. In Afrika sind heute noch ganze Regionen vom Hexenglauben geprägt – mit fatalen Folgen für die Wandlungsfähigkeit dieser Kulturen. Denn sobald agrarische Techniken oder gar städtische Kulturen entstehen, wird Magismus zum Hemmschuh für die kulturelle Evolution. Hexerei wirkt als Terrorinstrument gegen jeden Versuch, sich aus den Zwangszusammenhängen von Kollektiv und Natur herauszulösen und eigenständige Coping-Routinen zu entwickeln.
    In der modernen Welt sind wir der eitlen Überzeugung, wir hätten magisches Denken überwunden. Aber man muss nicht die Praxis des Tischerückens bemühen, das noch vor hundert Jahren im Bürgertum eine verbreitete Freizeitunterhaltung war, um das zu widerlegen. Ein flüchtiger Blick in den Fernseher, auf die Bestsellerlisten zeigt, wie tief wir im magischen Denken verstrickt bleiben. Uri Gellers Magieshows, X-Serien und »Wissenschaftswunder«-Zeitschriften zeigen drastisch, wie sehr wir auch in der Neuzeit Magisches lieben. Eine Konversation von gestandenen Akademikerinnen auf einer Party in Hamburg-Harvestehude verrät alles über unseren Hang zu jeglicher Form von Aberglauben wie Horoskope, Homöopathie, Wasseradern, Magnetstrahlen, Edelsteinmagie, Chakrawellen, Karma-Numerologie, Energieküche, Elementemedizin (ja, ich weiß, diese Phänomene sind

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