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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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Verstand sowie Religion«. Doch diese Theorie der »Gruppenselektion« (von Hitler begeistert adaptiert) hat zumindest Lücken. Wäre sie in ihrer einfachen Form richtig – die stärkere Gruppe pflanzt sich fort -, dürfte es auf dieser Erde lediglich militärische Kriegerkulturen geben, und das millionenjährige Reich wäre längst angebrochen. Wahrscheinlich hielten sich zwei Kriegergruppen im finalen Nash-Equilibrium in Schach …
    Das Spiel muss noch andere Regeln haben.

Das zweite Spiel: Gewinne und Verluste
    Kehren wir wieder zum Kuchenspiel zurück, überwinden dabei aber seinen reinen Konsumcharakter (Kuchen macht sowieso dick). Betrachten wir die ganze Gesellschaft als ein Interaktionsfeld für soziale »Molekularteilchen« (frei nach Houellebecq). Jeden Tag, jede Minute spielen Individuen Spiele, in denen es unentwegt um den Versuch geht, Vorteile zu erringen: In der
Liebe, im Beruf, in der Arbeit, auf der Straße (man denke an das beliebte Autobahnspiel Überholspur versus rechte Spur). Grundsätzlich existieren drei Ergebnisvarianten dieser Spiele:
    Lose-lose-Spiele: Dies sind Interaktionen, bei denen keiner der Akteure einen Vorteil davonträgt – die Summe des Ergebnisses ist eindeutig negativ. Beispiele wären Vernichtungskriege, bei denen beide Parteien schwere Zerstörungen von Dauer erleiden. Scheidungskriege, in denen alle Beteiligten einschließlich der Kinder beschädigt werden. Pleiten, in denen sich zwei Konkurrenten gegenseitig fertiggemacht haben, bis der gesamte Markt zerstört ist.
    Win-lose-Spiele: In Nullsummenspielen erringt eine Seite einen deutlichen Vorteil auf Kosten der anderen. Ein Eroberungskrieg gelingt für die eine Seite, »The winner takes it all«. Ein Diebstahl wird nicht entdeckt. Eine Firma triumphiert am Markt, verfügt danach über das Monopol und kann unendlich viel Geld verdienen. Oder nehmen wir Sportwettkämpfe in den K. O.-Runden: Hier kann jeweils nur eine Seite gewinnen, die andere fliegt aus dem Turnier. Man merkt gleich, dass die Beurteilung schwierig wird: Solche »harten« Spiele sorgen meist dafür, dass tausendfache »Sekundärspiele« eröffnet werden – die Emotionen der Zuschauer führen zu großen Verdienstmöglichkeiten durch Fernsehrechte, Würstchenverkauf, Fanartikel, die auf der Win-Seite zu verbuchen sind, selbst wenn man die Hirnzellen abrechnet, die durch den gesteigerten Alkoholgebrauch verlustig gehen.
    Win-win-Spiele: In diesem Spielausgang tragen beide Teilnehmer Vorteile davon. Der Kuchen wird nicht nur gegessen, er vermehrt sich sogar! Der Evolutionsphilosoph Robert Wright nennt diese Art von Spielen auch »Non-Zero-Sum-Games«, Nicht-Nullsummenspiele. Die Summe des Ergebnisses (nach Abzug aller »Kosten«, sozialer wie anderer) ist deutlich positiv. Typische Win-win-Spiele sind: freier Handel, Liebe (echte), Demokratie (funktionierende), Kunst, Natur, Kultur. Eigentlich alles, was wir lieben und womit wir uns gerne beschäftigen …

    Nun können wir spieltheoretisch definieren, was »Fortschritt« oder »gelungener sozialer Wandel« in seinem simplen Kern bedeutet: »Fortschritt« herrscht dann in einer Gesellschaft oder Gemeinschaft vor, wenn die Win-win-Spiele die Win-lose- und Lose-lose-Spiele in der Summe kontinuierlich übertreffen. Wenn also unter dem Strich mehr Menschen Vorteile aus sozialer Kooperation erleben als Nachteile!
    Basteln wir, um dies zu illustrieren, ein einfaches Spielfeld. Auf einem Spielfeld werden unentwegt Spiele ausgetragen, die nach einem Zufallsprinzip Win-win-, Win-lose- oder Lose-lose-Ergebnisse erbringen. Die Summe aller Spiele auf diesem Feld beträgt ungefähr null. Zum Beispiel sähe das Spielfeld in einem Zufallsmoment so aus:
    Abb. 14: Eine »Nullsummengesellschaft«
    In der nächsten Grafik tragen wir der Tatsache Rechnung, dass der Ausgang von Spielen kontextabhängig ist. Alle sozialen Erfahrungen zeigen, dass ein Umfeld, in dem Erfolge und Kooperationen vorherrschen, motivierend wirkt. Führen wir nun eine Regel ein, die dieser Tatsache Rechnung trägt: die »Umfeld-Regel«. Man kann sie folgendermaßen formulieren: »In jedem Feld, das von zwei direkt anschließenden Win-win-Feldern umgeben ist, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Win-win-Ergebnisses im nächsten
Zug um 50 Prozent. Bei drei Feldern verdoppelt sich die Chance. Ist ein Feld von drei Win-win-Ergebnissen umgeben, wird im nächsten Zug automatisch Win-win angezeigt«.

    WW
LL
WW-Chance verdoppelt
WW
WW
    Abb. 15: Die

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