Das Buch des Wandels
Umfeldregel
Wir können natürlich auch eine entsprechende Negativregel einführen: Lose-lose-Umgebungen erhöhen die Chance auf weitere Verluste. Nun hängt der Ausgang des Spiels von der Ausgangssituation ab. Überwiegt Win-win, wird sich das Spielfeld im Laufe der Züge kontinuierlich in Richtung auf Überschüsse entwickeln, bis am Ende nur noch Win-win-Züge stattfinden. »Wohlstand« wird evolutionär vorprogrammiert.
Abb. 16: Eine »Nicht-Nullsummengesellschaft«: Es riecht nach Fortschritt und Wohlstand.
Das Modell ist deshalb durchaus lebensnah, weil die Chance für positive Kooperation in einem Umfeld positiver Kooperation verstärkt
wird (siehe auch die »Infektionstheorie« im 5. Kapitel). In der sozialen Welt nennen wir diesen Verstärkungsfaktor Vertrauen . 7 Die Parteien sparen sich nun eine Menge Aufwand und Ressourcen: Schiedsrichter, Moderatoren, Absicherungsverträge, Risikoklauseln, Gefängnisse, Militärkosten für den Ernstfall, Krankenhauskosten nach der Schlägerei – you name it. Vertrauen schiebt das gesamte Spielfeld in Richtung auf Win-win-Ergebnisse.
Irgendwie kommt uns das bekannt vor. Wenn in einer Gesellschaft kein grundlegendes Vertrauen herrscht – zum Beispiel weil dieses durch chronische Kriege, ethnische Konflikte, koloniale Unterdrückung, Korruption und Ähnliches zerstört wurde -, verhalten sich die »Molekularteilchen« so, dass der Kooperationsgrad tendenziell weiter sinkt – mit der Folge weiterer Lose-lose-Spiele …
Wir könnten auch mit weiteren Einflussparametern experimentieren. Wir können zum Beispiel »Korruptionsagenten« einführen, in deren Umfeld die Lose-Wahrscheinlichkeiten deutlich steigen. Oder »Subventionsspots«, Ecken des Feldes, in denen die Win-Chancen vorübergehend erhöht werden, allerdings mit dem Preis, dass sie nach einigen Durchgängen kräftig abfallen. Oder »Ressourcenturbos«, die ebenfalls den Anteil der Gewinnerresultate in die Höhe treiben. Oder »Cheat-Joker«, die aus einem Win-win sofort ein Win-lose machen …
Kleiner Exkurs: Das Entenspiel
Eigentlich handeln alle Mythen und Märchen und »Storys« der Menschheitsgeschichte von solchen Spielen. Viele von uns, vor allem die Jungen, haben einen Teil ihrer Kindheit in einem lustigen virtuellen Universum verbracht, in dem es von interessanten Spielagenten nur so wimmelt: Entenhausen, die Heimat von Donald Duck und Micky Maus. In Entenhausen sind die sozialen Spiele ganz besonders interessant. Onkel Dagobert spielt das Spiel des geizigen »Alles-haben-Wollens-und-alles-Behaltens«
(also Win-lose auf mindestens 100 Feldern). Donald, der Neffe, fristet sein Leben mit Hilfe von Gelegenheitsjobs und spielt den typischen Loser, gecoacht und stabilisiert von Tick, Trick und Track, den Botschaftern der pragmatischen Vernunft und des ewigen Pfadfinderwissens. Die Neffen drehen Donalds Lose-Spiele immer in ein Win- oder wenigstens Nullsummenspiel um. Daisy, die klassische Frauenrolle, schwankt zwischen weiblicher Empörung über Aufmerksamkeitsdefizite und gütiger Sozialintegration (sie kümmert sich um die Tanten Eusebia & Co). Und dann sind da noch die Gegenspieler, die Panzerknacker und die Hexe Gundel Gaukely, die in endlosen Operationen ihren Teil vom Kuchen abzuzwacken versuchen. Und Gustav Gans, der den Glücksjoker spielt: Win-win-win.
Der Donaldismus hat Bände über die Sozialpsychologie Entenhausens hervorgebracht, die immer wieder die Parallelen zwischen dem Kapitalismus und der Donald-Welt betont (dafür spricht vieles: wir haben es mit echten Patchworkfamilien zu tun, und auch die Bösewichte werden menschlich dargestellt – herzzerreißend, wie die Panzerknacker heulen können, wenn sie den Geldspeicher nicht knacken können; wir fühlen mit). Interessant wird das Entenhausen-Spiel aber immer dann, wenn die Rollengrenzen überschritten werden. Der geizige Onkel Dagobert spendet plötzlich gütig sein ganzes Geld an eine Wohltätigkeitsorganisation (dessen Chef sich prompt als der getarnte Konkurrent entpuppt). Donald ergattert die Boss-Rolle im besten Restaurant der Stadt (die drei Neffen sind noch besorgter als sonst). Gundel Gaukely entdeckt ihre häusliche Seite (wir ahnen Schlimmes). Spätestens, wenn Donald zu Super-Donald wird, wird das Ganze allerdings wieder öde …
Das Schöne am Entenhausen-Spiel ist, dass es mit all dem arbeitet, was wir im richtigen Leben ach so gut kennen. Mit Affekten. Mit Humor. Mit Zufall. Hier wird nichts beschönigt, und den
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