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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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dem berühmten Mathematiker und Spieltheoretiker John Nash (seine tragische Geschichte erzählt der Film »A Beautiful Mind«).
    In einem Nash-Gleichgewicht hat keiner der Spieler einen Anreiz, von der einmal gewählten Strategie abzuweichen. Wenn einer von ihnen die Strategie wechselt, wird sich das Resultat für ihn sehr wahrscheinlich verschlechtern. Da er das weiß (und der andere weiß, dass er es weiß), bleibt der Wandel aus. Das Nash-Gleichgewicht wird oft auch »perfektes strategisches Gleichgewicht« genannt. Wahrscheinlich verdanken wir ihm alle unsere heutige Existenz, weil dank der Einsicht in dieses Gleichgewicht der Atomkrieg zwischen den USA und Sowjetrussland ausblieb, anders als andere Spieltheoretiker vorausgesagt hatten. 3
    Für unsere WG-Situation lässt sich nun festhalten, dass wir das Spiel deshalb so schlecht spielten, weil wir alle Regeln in den Wind schrieben. Wir akzeptierten keinen Schiedsrichter. Wir
legten so viele Zettel auf den Tisch, dass man keine Zahlen mehr erkennen konnte. Und so ging der ganze Kuchen unserer Wünsche und Sehnsüchte ununterbrochen das Klo hinunter. Weil wir krampfhaft versuchten, den Kuchen zu essen und gleichzeitig zu behalten , bekamen wir alle nur karge Kost.

Neues Spiel, neues Glück
    Ich habe mich oft mit der Frage gequält, warum meine damaligen Mitbewohner so bereitwillig ihre (unsere) Ideale aufgaben – so schien es mir jedenfalls damals. Hannes und Sarah gingen nach 1980 in die Kommune von Bhagwan, dem bärtigen Sexguru im indischen Poona. »Sanyassin«, Bhagwan-Anhänger, blieben sie fast ein Jahrzehnt, und ich konnte es schwer aushalten, die beiden in ihren roten Gewändern und glückselig lächelnd zu treffen, wenn sie sich einige Zeit in Deutschland aufhielten.
    Bhagwan, das war etwa so, als würde man bereitwillig einen Zettel mit »ein Stück vom Kuchen höchstens!« auf den Tisch legen. Während der bärtige Guru demonstrativ in sieben Rolls-Royce vor seinen Jüngern vorfuhr (und natürlich mit den schönsten Frauen seines Harems schlief), durften seine Adepten Böden schrubben, Gemüse anbauen, Küchendienst im Ashram schieben und zehnmal am Tag zum gemeinsamen Om-Singen antreten. Ab und zu gab es zum Ausgleich ein wenig Tantrasex, immerhin. Aber wie konnten kluge Menschen wie meine beiden Exmitbewohner, die sich selbst als Anarchisten, Libertäre, Rebellen gesehen hatten, einem solch tyrannischen spirituellen Daddy-Typen verfallen?
    Ulrike, die feministische Kämpferin (»Schwanz ab ist eine milde Strafe!«), besuchte ich 15 Jahre später in einem schwäbischen Vorort. Sie wohnte in einem nach Kampfertee und nassem Bio-Hund riechenden Haus mit vier Kindern, zwei eigenen, zwei adoptierten, und ihrem Mann Martin, einem Grundschullehrer. Und sie verkündete, sie brauche ihr Ego nicht so sehr, wie sie
früher dachte: »Für Martin und die Kinder bin ich rund um die Uhr da. Und das macht mich einfach glücklich. Das ist für mich der Sinn des Lebens.«
    Nach mehr als einem halben Leben glaube ich, etwas mehr von den Wandelmotiven meiner Mitbewohner verstanden zu haben. Sie hatten noch eine Rechnung offen. Die Sehnsucht nach Sekten hatte mit ungeklärten Autoritätskonflikten zu tun. Meditation diente der inneren Distanzierung von den übermächtigen Gefühlen, denen wir uns ausgeliefert fühlten. In der Reduktion auf die Rolle der sorgenden Hausfrau liegt ja auch eine starke Entscheidung für ein klares Gebrauchtwerden und Gewolltsein. Im Kern ging es darum, das Spiel neu spielen zu lernen – damit der Kuchen (des Glücks) nicht ständig im Abfall landete.
    Erweitern wir also das Kuchenspiel. Stellen wir uns vor, in einem Raum hielten sich nicht zwei, sondern hundert Spieler rund um unseren begehrten Kuchen auf. Unter ihnen befinden sich einige »Hungrige«: Sie verlangen stets 7 Stücke. Eine weitere Gruppe sind die »Gierigen«: Sie machen es nicht unter 9 Stücken. Es findet sich auch eine Gruppe von »Bescheidenen«: Sie möchten eigentlich immer nur 3 Stücke vom Kuchen. Und dann gibt es noch eine Reihe von »Superbescheidenen«: Sie geben sich mit einem einzigen Stück zufrieden. Sie sind schüchtern. Oder sehr schlank und wollen es bleiben.
    Nun spielen alle Spieler abwechselnd mit allen. Wenn Hungrige und Gierige aufeinandertreffen, wird ihr Erfolg gleich null sein – der Kuchen löst sich in Luft auf. Mit der Zeit finden sich aber die Hungrigen mit den Bescheidenen zusammen. Und auch einige Gierige mit Superbescheidenen. Für diese

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