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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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– ich warte nach Einbruch der Dunkelheit am Tunnel zum Flugfeld.«
    Ich gehe direkt zum Flughafen, die Haut grau- und blaustichig, die Haare starr und steif hinter meinem Kopf, wie eine Flamme im Wind. Die Wolken am Himmel bewegen sich schnell, das Laub, das der Wind über die Straße fegt, gibt mir Geleit bis zum Cateringmobil, wo ich auf ein Heer unbekannter Gesichter stoße.
    Didier Le Basque ist da, ich erwische ihn, wie er in einer Wolke aus Barthaar und Mänteln zwischen den Fahrzeuganhängern hin- und hereilt. Er winkt mich in eine mobile Kommandozentrale, wo wir wohl, seinem nervösen Blick und dem winzigen Schlückchen Wein nach zu urteilen, das er mir einschenkt, nur eine kurze Besprechung haben werden.
    Wir heben die Gläser, und er bringt einen Toast aus: »Auf das Exquisite und das Seltsame. Das ist es, ha. Ich hoffe, das Kostüm passt. Und ich sollte mich bei dir bedanken – ohne es zu wissen, hast du uns auf eine geniale Idee für den Signature Dish gebracht. Die besten, die wir je hatten. Ich will dir die Überraschung nicht verderben – du wirst es sehen. Was deinen Zeitplan anbelangt: Denk dran, der Schlussappell ist exakt um dreiundzwanzig Uhr fünfundfünfzig. Dann muss in vier Minuten der Abgang über die Bühne gebracht sein. Mit dem Ausschalten der Lichter beginnt der Countdown, ha. Ich habe dem Türsteher gesagt, du gibst das Signal, er betätigt dann den Lichtschalter. Du erscheinst, Licht aus, und dann Bon Voyage.«
    »Sehr gut«, nicke ich.
    » Bon, allez . Der Buchhalter am Eingang zahlt dir dein Honorar. Danach würde ich dir raten, den Komplex schnell zu verlassen und mindestens einige Wochen nicht mehr herzukommen – aber der Flughafen wird ja sowieso geschlossen. Thomas wird schon vor Zapfenstreich mit zweien der Anhänger weg sein, das Küchenmobil bleibt bis zum Ende. Zehn vor zwölf starten die Triebwerke. Du weißt also Bescheid: Timing ist alles.« Er schlenkert seine Hand, damit ich sie drücke. »Viel Glück, mein Freund.«
    Draußen stoße ich neben einem abgeschlossenen Küchenmobil auf Thomas, und wir machen eine Zigarettenpause. Demonstranten gegen die Schließung treffen ein und steigern das Gewimmel. In gedämpfter Lautstärke leitet Thomas die Neuigkeiten der Küchen-Hotline weiter, einem zuverlässigen Telegrafenkabel, das über die ganze Welt läuft: Die Gäste des heutigen Abends werden vom Hotel Le Meurice in Paris aus ankommen, sie zählen zu den Top-Performern der Geschäftsbereiche, die für die globale Rezession verantwortlich sind, und haben es auf eine letzte Sause abgesehen, bevor sie verschwinden, um den offiziellen Untersuchungen zu entgehen.
    Laut Küche sind nur zwei von ihnen keine Milliardäre.
    Während ich rauche, belausche ich einen Koch, der im Inneren des Wagens telefoniert: »Verdammte Scheiße, was soll ich denn damit jetzt anfangen?«, belfert er, und ich bin im Herzen bei Smuts, der hier sein sollte. Obwohl es immer noch eine offene Frage ist, ob der Baske sich an seinen Teil der Abmachung halten wird, habe ich beschlossen, den meinigen zu erfüllen und derweil die Bestrafung der wahren Schuldigen hinter Smuts’ Festnahme in die eigenen Hände zu nehmen.
    »Wieso hast du an dem Menü rumgepfuscht?«, brüllt der Koch. »Was? Knoblauch ist was für scheiß Hausfrauen und verdirbt alles, womit er in Berührung kommt! Da kannst du dir alle anderen Zutaten gleich sparen – wer Knoblauch will, soll ihn roh fressen! Was? Tja, dann haben die Gäste eben keinen Geschmack. Ich frage mich, warum die überhaupt eingeladen werden! Wenn in einem Gang Knoblauch ist, schmeckt jeder weitere auch danach. Was? Der mit der Skordalia? Ja, scheiße, der vor allem!«
    Ich blende das Telefonat aus, als ein halbes Dutzend neuer Gesichter im Gänsemarsch im Wagen verschwindet, und während die Tür offen steht, könnte ich schwören, drinnen Babys weinen und glucksen zu hören. In Erwartung einer Erklärung drehe ich mich zu Thomas und lege ein Ohr an den Wagen; aber sein Gesicht gibt nichts preis, und nach einem letzten Zug reicht er mir seine Zigarette und geht weg.
    Zum Abend hin klart das Wetter auf, und dieser letzte Freitagnachmittag eines Denkmals, einer Geschichte, eines Traums und eines Limbus wird tatsächlich noch von der Herbstsonne beehrt. Zuerst versteckt sich die Helligkeit noch hinter den Gebäuden, wirft kalte Schatten und färbt den Himmel kalkig blau. Durch diese Schatten kommen und gehen Menschen, im vorbeiströmenden Verkehr blitzt Chrom, auch

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