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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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mich Smuts zu offenbaren. Um in seinem Hirn für alles Zukünftige eine Nachricht zu hinterlassen. Um ihn wissen zu lassen, dass mein Tod nichts anderes ist als ein weiteres unserer Abenteuer – und nach allem, was wir wissen, auch nicht unser letztes.
    Doch als ich mich ihm zuwende, gibt der Aufzug ein dumpf metallisches Geräusch von sich und sirrt hinunter in die Lobby.
    Ein Scharren. Ein Geräusch an der Tür.
    Kurz darauf kommt Tomohiro herein, der eine Schaumstoff-Kühlbox schleppt. Er wankt vorbei, ohne uns zu sehen, aber als er nach einem am Aquarium lehnenden Kescher greift, fährt Smuts auf und dreht sich um. Der Koch sieht zu uns herüber.
    »Hä?« Smuts steht auf. »Schon sieben?«
    »Ich glaube, es ist höchstens drei«, sage ich.
    Tomohiro senkt den Blick. Als er die Schale und die Streuer mit Innereien vor mir sieht, kommt er neugierig näher. Sein Gesicht wird noch länger, falls das überhaupt noch geht, und er geht in die Küche, um kurz darauf mit einer kleinen Flasche mit Sicherheitsverschluss zurückzukommen, einer, wie sie für medizinische Proben benutzt wird. In ihr sind deutlich größere Organe – und als er sie sieht, verzieht sich Smuts’ Gesicht zur einer Grimasse.
    Tomohiro nimmt mit einem Stäbchen ein Klümpchen aus meiner Schale und hält es zum Vergleich neben die Flasche.
    »Verdammte Scheiße.« Smuts greift nach der Schale: »Waren das Eierstöcke?«

9
    »Der Alte hängt am Atemgerät«, flüstert Smuts. »Tetrodoxin lähmt die Muskeln. Natriumkanalblocker: Du nimmst alles wahr, sitzt aber in deiner eigenen Falle. Der Boss hat mir mal erzählt, dass es achtundvierzig Stunden dauert, bis man weiß, ob ein Gast sich vergiftet hat. Und dieser alte Wichser war in weniger als drei platt.«
    Die Luft im Restaurant hört auf zu zirkulieren.
    Tomohiro sagt nichts mehr zu uns. Als alle Fische ausgewechselt sind, macht er das Licht aus und geht mit der Kühlbox wieder hinaus, wobei er schlurft wie ein Zombie, um kein Wasser zu verschütten. Gemeinsam mit ihm verlassen die Innereien das Haus, inklusive meiner Salzstreuer.
    Wir hören, wie sich Aufzugtüren schließen, als ob ihr Surren und Scheppern für die unaufhörlichen Zumutungen des Schicksals stünden. Der Fahrstuhl fährt nach unten. Unser Nimbus flackert – und sinkt. Aufseufzend krümmt Smuts sich nach vorne. Sein Kopf rollt in seinen Händen. »Ich bin so was von am Arsch«, krächzt er.
    Ein Impuls will mich dazu verleiten, mich einfach ins Aquarium zu stürzen. Aber wie versteinert bleibe ich sitzen. Manche Dinge sind eben doch von Bedeutung. »Aber«, sage ich, »der Mann wirkte doch durchaus erfrischt, als er aufgebrochen ist. Vielleicht schläft er den Rausch einfach aus. Vielleicht haben die anderen im Krankenhaus gesagt, dass er Fugu gegessen hat, und man geht jetzt davon aus …«
    »Scheiße, kannst du nicht mal eine Sekunde normal reden? ›Durchaus erfrischt‹, was soll die Kacke! Das ist ja wie mit Enid Blyton in der Todeszelle zu sitzen!«
    »Sorry. Er war oberhappy, als er gegangen ist …«
    »Du peilst es nicht – ich habe Eierstöcke mit Leber verwechselt! Wie dicht muss ich gewesen sein! Ich habe ihm einen Eierstock von einem von Didiers trojanischen toras serviert. Und Japan ist echt nicht der richtige Ort, um ein Verfahren an den Hals zu kriegen. Hier macht man alles ganz gewissenhaft, nicht wie bei uns zu Hause. Ich bin so was von am Arsch.«
    »Aber er hat doch kaum noch die Augen aufbekommen, um überhaupt zu essen.«
    »Jetzt weiß Tomo Bescheid. Und er weiß auch, dass ich hackedicht bin.«
    »Hm. Also, ich habe ja auch was davon probiert. Das war ein Eierstock? Du hast doch auch auf einem rumgelutscht.«
    Smuts ächzt. Seine Hände bleiben auf seinem Gesicht liegen, als ob eine längere Blindheit eine umso hellere Realität nach sich zöge. »Ich weiß gar nichts mehr. Am besten, wir ziehen ein paar Lines, das soll die Atemwege frei machen. Am besten bleiben wir heute Nacht bei den Lines und warten mal ab, was passiert. Keine Ahnung, ob ich weitertrinken oder mich gleich umbringen soll, ha.«
    Schweigend sitzen wir eine Zeit lang da und rauchen. Aber sogar unser Rauch ist zu schwach, um Schwaden zu bilden, er stürzt einfach zu Boden. Was die Enthusiasmen angeht – was will mir das wohl sagen? Ist es ein Abschied, ein Zurechtstutzen – oder einfach nur ein herzloser Trick? Der Abend ist verschlungen worden von Todesthemen. Als ob die Todesthemen auf meinem Rücken hier eingeritten sind, dann in

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