Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
dich gezielt habe. Das Ding hat einen eigenen Willen, wie es aussieht.«
Peto stockte für eine Sekunde, während er den blutigen Leichnam am Boden anstarrte und dann die vermummte Gestalt mit der Schrotflinte in der Hand zwischen ihm und dem Toten.
»Gut gemacht«, sagte er dann. Der Bourbon Kid murmelte etwas, das verdächtig nach »Ich konnte diese verdammten Schildkröten noch nie ausstehen« klang, und Peto beschloss klugerweise, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Plötzlich leuchtete die Schalttafel auf Bloems unbesetztem Schreibtisch auf, und das Telefon läutete. Dante reagierte als Erster und ging hin, um abzunehmen. Er hielt sich das Headset ans Ohr und drückte auf den grünen Knopf der Schalttafel.
»Hallo, zehn-vier … Roger. Äh, Police Department, hier ist …«
»Wer zum Teufel ist da?«, schnaubte eine Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Äh, hier ist, äh … Officer Goose? Mit wem zum Teufel spreche ich?«
»De La Cruz hier. Wo, zum Teufel, ist Officer Bloem? Ist er beschäftigt?«
Dante blickte zu dem blutigen Leichnam vor der Tür. »Ich schätze, er ist im Moment nicht zu sprechen. Hat den Kopf verloren, würde ich sagen.«
»Ha! Typisch!«, schnaubte De La Cruz in den Hörer. »Haben Sie Ihren Kollegen auch mitgebracht? Diesen Kenny, richtig?«
»Jawohl, Sir. Sie müssen bitte nach oben kommen, Sir.«
»Warum denn das?«
»Bender bittet darum, Sir.«
»Wer?«
Peto hatte Dantes Fehler bemerkt und formte mit dem Mund das Wort »Benson«.
»Sagte ich Bender? Ich meinte natürlich Benson, Sir. Er sagt, er hätte einen sicheren Ort gefunden, zu dem wir Sie beide bringen können. Aber Sie sollen sich beeilen, Sir. Der Bourbon Kid ist auf dem Weg hierher.«
»Verdammt. Also gut. Ich bin unterwegs.«
Dante legte das Headset zurück und deutete zu den Lifts am anderen Ende der Halle. Der Bourbon Kid setzte sich in Bewegung.
Kurze Zeit später verriet die Anzeigentafel über dem mittleren Aufzug, dass jemand aus dem Untergeschoss nach oben kam.
Neunundvierzig
Sanchez war nicht oft in Büchereien anzutreffen. Vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr unternahm er einen Ausflug in die Santa Mondega City Library, allerdings für gewöhnlich nur, um ein paar Bücher auszuleihen, die er Freunden zum Geburtstag schenkte. Weil die meisten seiner Freunde Analphabeten waren, konnte er die Bücher normalerweise nach kurzer Zeit zurückstehlen, ohne dass es jemand bemerkte, und sie innerhalb der Ausleihfrist zurückgeben.
Eines der vielen Dinge, die er an der Santa Mondega City Library nicht mochte, war die Bibliothekarin, die hinter dem Schalter arbeitete. Sie hieß Ulrika Price und war eine bekackte, rachsüchtige Hexe mit einem tief sitzenden Hass gegen alle Männer, basierend auf einigen – zugegebenermaßen unangenehmen – sexuellen Erfahrungen, die sie als Teenager gemacht hatte.
Sie hatte Sanchez von ihrem Platz am Schreibtisch aus beobachtet, seit er eingetreten war, und er spürte, wie sich ihre Blicke in seinen Hinterkopf brannten, als er zur Sachbuchabteilung ging. Es herrschte kaum Betrieb in der Bücherei zu so später Stunde, besonders weil Halloween war, und so hatte Sanchez freie Hand in dem Labyrinth deckenhoher, von einer Wand zur anderen reichender Regale.
Offen gestanden war der Grund, aus dem er zur Bücherei gegangen war, reiner Instinkt gewesen. Bauchgefühl, sozusagen. Angesichts von Jessicas Verschwinden und der Rückkehr des Bourbon Kid hatte er beschlossen, ein paar Nachforschungen anzustellen. Die Polizei würde es nicht tun – aus zwei Gründen. Zum einen, weil es eine Bande von faulen Bastarden war, und zum anderen, weil sie korrupt waren wie die Hölle, und wenn es in der Bücherei etwas zu finden gab, dann würden sie mit Sicherheit einen Grund finden, warum sie es trotzdem nicht fanden.
Sanchez suchte nach einem Buch ohne Namen, geschrieben von einem unbekannten Autor. Es gab einen speziellen Grund, warum er nach diesem speziellen Buch suchte. Nach dem Massaker, das der Bourbon Kid im Verlauf des Mondfestivals im vergangenen Jahr angerichtet hatte, hatten die Zeitungen einen Artikel veröffentlicht, nach dem sämtliche Morde mit einem Buch ohne Namen von einem unbekannten Autor in Zusammenhang standen. Jeder, der es aus der Santa Mondega City Library ausgeliehen hatte, war ermordet worden – einschließlich der mit den Ermittlungen beauftragten Detectives.
Sanchez war zwar alles andere als ein tapferer, mutiger Mann, doch er hatte im Lauf der
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