Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
hinaufgestürmt, denn er wirkte ein wenig außer Atem und war durchnässt bis auf die Haut. Mehr noch, aus einem Grund, den Kacy nicht wusste, trug er eine Polizeiuniform mit einem blutbesudelten blauen Hemd. Es war nicht so, dass es sie sonderlich beunruhigt hätte. Es war lediglich ein Zeichen dafür, dass es ihm irgendwie gelungen war, sich wieder einmal irgendwie in irgendeine üble Bredouille zu manövrieren und wie immer unbeschadet daraus hervorzugehen.
Ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, ein Lächeln, das sie nicht kontrollieren konnte. Der bloße Anblick des zurückgrinsenden Dante ließ sämtliche Ängste auf einen Schlag verfliegen. Er mochte nicht der härteste Kerl auf der Welt sein und ganz sicher auch nicht der klügste, doch er war ihr Kerl. Immer für sie da in einer Krise. Bereit, alles zu tun, was nötig war, gleichgültig, wie waghalsig oder dumm, um sie zu beschützen – die Frau, die er liebte. Und das war nur einer der vielen Gründe, aus denen sie ihn liebte.
»O Gott, du ahnst ja gar nicht, wie ich dich brauche!«, rief sie ihm entgegen. Er war noch gut dreißig Meter entfernt, doch diese Distanz wäre in wenigen Sekunden überwunden. Sie senkte die Pistole und ging ihm entgegen. Sie fühlte sich ein wenig schwächer als noch vor wenigen Sekunden, weil die Wirkung des Adrenalinstoßes, hervorgerufen durch Swanns mörderischen Angriff, zu versiegen begann. Jetzt würde alles wieder gut werden. Dante trottete ihr mit einem breiten Lächeln im Gesicht entgegen. »Komm, Baby, lass uns so schnell wie möglich von hier verschwinden!«, rief er.
Kacy steckte die Waffe hinten in ihre Jeans und breitete die Arme aus. »Komm und hol mich, Baby!«, rief sie strahlend. Dante rannte ein wenig schneller, bereit für eine stürmische Umarmung von der Sorte, wie man sie in Strandszenen von schmalzigen Filmen zu sehen bekam.
Rums!
Gerade als Dante einen Seitengang passierte, sprang eine Gestalt in einem hautengen Leopardenanzug heraus und rammte ihn gegen die gegenüberliegende Wand.
Es war Roxanne Valdez, und sie hatte sich in einen ausgewachsenen, nach Blut dürstenden Vampir verwandelt. Für Kacy schien alles wie in Zeitlupe abzulaufen. Voller Entsetzen beobachtete sie den Ablauf der Ereignisse. Sie beobachtete, wie sich Dantes Gesichtsausdruck von Freude und Glück zu Überraschung und Erschrecken veränderte. Valdez hatte ihn mit der Wucht eines Güterzugs getroffen. Er krachte mit solcher Wucht mit dem Kopf gegen die Wand, dass es an ein Wunder grenzte, dass er nicht auf der Stelle das Bewusstsein verlor. Die Vampir-Agentin verfügte eindeutig über phänomenale Kräfte, und die Tatsache, dass sie Dante völlig überrumpelt hatte, bedeutete zugleich, dass seine Versuche, sie abzuwehren, nahezu vergeblich waren.
Kacy verfolgte in betäubter Beklemmung, wie Valdez den Mund weit aufriss und bösartige Fänge enthüllte, die sie tief in den Hals von Dante schlug. Ein grausiges, knirschendes Geräusch folgte, und Kacy sah, wie hellrotes frisches Blut aus der Wunde ihres Geliebten spritzte. Sein ganzer Körper wurde gegen die Wand gepresst, so dass er kaum Kraft oder einen günstigen Hebel fand, um sich zu wehren. Schlimmer noch, bis Valdez den Kopf zurückgenommen hatte, um sich sein Blut durch die Kehle rinnen zu lassen, sah er aus, als wäre er nicht länger imstande, sich zu wehren. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, und seine Knie begannen nachzugeben, während er mit leerem Blick beinahe entschuldigend den Gang hinunter zu Kacy starrte.
Endlich fand Kacy ihre Stimme wieder. » DANTE !«, schrie sie. Es kam ihr vor, als hätte sie eine ganze Ewigkeit zugesehen, bevor ihr Mund sich geöffnet und den unvermeidlichen, verzweifelten Schrei ausgestoßen hatte. Der Schrei lenkte die vor Blutdurst rasende Valdez ab. Sie lockerte ihren Griff um das Opfer und richtete den bösen Blick auf Kacy. Dantes blutiger, zerschlagener Leib rutschte langsam an der Wand nach unten und hinterließ einen dicken Blutfleck auf dem Teppich, als er am Boden reglos liegen blieb wie eine weggeworfene Puppe.
Valdez machte einen Schritt auf Kacy zu und betrachtete, was sie wahrscheinlich als ein leckeres Dessert ansah. Dantes Blut tropfte aus ihrem Mund und auf den Leopardenanzug. Kacy erstarrte. Für einen Moment standen sich die beiden Frauen reglos gegenüber. Dann griff Valdez an. Mit einem mächtigen Satz stürzte sie sich auf ihr unschuldiges Opfer.
Endlich erwachte Kacy aus ihrer Starre.
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