Das Buch Rubyn
König Killick über wahre Herrschaft gesagt hat …«
Er wartete ab, ob sein Vater den Spruch zitieren würde. Dieser jedoch blieb stumm, und Michael sah, wie er Rourke einen kurzen Blick zuwarf.
»Es tut mir leid, Michael. In den letzten zehn Jahren ist so vieles geschehen. Ich kann mich wohl nicht erinnern.«
»Aber natürlich erinnerst du dich!« Und plötzlich war es ungemein wichtig, dass sein Vater sich erinnerte. »Dr. Algernon meinte, es sei dein Lieblingszitat. König Killick sagte: Ein großer Anführer lebt nicht in seinem Herzen, sondern in seinem Kopf. Weißt du es denn nicht mehr? Du musst dich doch erinnern!«
»Aber natürlich!«, sagte sein Vater und lächelte. »Dieses Zitat mochte ich in der Tat sehr gern. Und es ist so wahr.«
Ohne nachzudenken sagte Michael da: »Killick war ein sehr kluger König … der Elfen.«
Das Lächeln seines Vaters blieb unverändert. »Ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Die Elfen sind ein sehr weises Volk. Danke, dass du mir diesen Satz ins Gedächtnis gerufen hast.«
»Tja«, mischte sich jetzt Rourke ein, »das ist ja in der Tat eine ganz reizende Wiedersehensfeier. Aber wir haben nicht den lieben langen Tag Zeit. Wenn du und deine Schwester mitkommen, habt ihr mein Ehrenwort, dass weder euch noch euren Eltern ein Leid geschieht. Solltet ihr euch weigern, werde ich den guten Richard und jeden einzelnen Elf in dieser Festung umbringen und euch am Ende doch bekommen. Verstanden?«
In Michaels Kopf drehte sich alles. Erst konnte sich sein Vater nicht an das Zitat erinnern. Dann tat er so, als ob er es doch täte! Und glaubte nun, Killick sei ein Elf gewesen! Hatte er denn alles vergessen?«
»Junge, du strapazierst meine Geduld!«
»Okay. Aber ich … ich muss es meiner Schwester erklären. Ich hole sie aus der Festung.«
Er musste hier weg. Er brauchte Zeit und einen klaren Kopf, um nachdenken zu können. Er wollte sich gerade abwenden, als …
»Halt!«
Rourke hatte seinem Vater das Messer an die Kehle gesetzt.
»Wenn du die kleine Emma holen willst, bitte sehr. Aber die Chronik bleibt hier.«
Michael fühlte die Anspannung seiner Freunde in der Festung, den Hunger und die Gier der Kreischer und der Gnome. Es schien, als ob ihrer aller Leben auf der Spitze von Rourkes Messerklinge balancierten. Er griff in seine Tasche und fühlte den festen Ledereinband, den er so gut kannte.
»Ich gebe die Chronik meinem Vater. Er soll sie behalten, bis ich mit Emma zurückkomme.«
Rourke lächelte. »Wie du willst.«
Michael trat vor und reichte seinem Vater das Buch.
»Es … es liegt ein Fluch darauf. Bitte nicht öffnen.«
Er sah, wie sein Vater mit der Hand über den Einband fuhr.
»Ich dachte, es sei rot.«
»Der Orden hatte es in der Lava versteckt und das Leder wurde verbrannt. Ich bin gleich wieder zurück.«
Er stieg den Hang zur Festung hinauf. Er musste sich zwingen, langsam zu gehen. Sein Herz hämmerte und seine Nerven lagen blank. Er stolperte auf dem lockeren Schotter. Auf halbem Weg zum Tor warf er einen Blick über die Schulter. Rourke beobachtete ihn scharf, und als sich ihre Augen trafen – vielleicht sah der kahlköpfige Mann etwas in Michaels Blick oder er hegte bereits einen Verdacht –, da riss Rourke Michaels Vater das Buch aus der Hand. Michael wartete nicht darauf, bis er es aufschlug, sondern sprintete los.
»Haltet ihn auf!«, brüllte Rourke. »Haltet den Jungen auf!«
Die Schreie der Kreischer zerrissen die Luft. Michael war noch zwanzig Meter vom Tor entfernt, als er stolperte und der Länge nach auf die Felsen schlug. Er war sofort wieder auf den Beinen, aber er hatte Zeit verloren. Er hörte die Kreischer näher kommen. Dann stürmte der Elfenhauptmann aus der Festung, den Bogen gespannt, und schoss in rasender Geschwindigkeit einen Pfeil nach dem anderen ab. Sie sirrten an Michaels Kopf und Schultern vorbei, und er hörte den leisen, dumpfen Aufprall, mit dem jeder einzelne sein Ziel traf. Der Elf packte ihn am Arm, zerrte ihn mit sich und schrie: »Lauf!« Dann stoben sie in die Festung; Michael hörte die riesigen Tore hinter sich zuschlagen und fiel keuchend auf die Knie.
»Michael! Was ist passiert? Bist du verletzt?« Emma hatte ihn am Arm gepackt und schüttelte ihn. »Du hast ihm das Buch gegeben! Und was ist mit Dad? Er ist immer noch da draußen!«
Michael kämpfte sich auf die Beine. »Das … das ist nicht … das ist nicht Dad.«
»Was soll das heißen?«
»Er hat sich nicht mehr … an den Spruch
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