Das Buch Rubyn
weiteres Wort rannte Beetles zur Kirche hinüber.
Kate blickte zu Abigail. »Gibt es einen Ort, wo ihr hingehen könnt?«
Abigail nickte. »Zum Bowery Theater. In der Nähe des magischen Viertels. Der Impresario ist ein Freund von Miss B.«
»Dann geht dorthin«, sagte Kate. »Abigail, du trägst die Verantwortung. Du schaffst das.«
Als Abigail die Schultern straffte und das Kinn nach oben reckte, musste Kate unwillkürlich an Emma denken. Das jüngere Mädchen drehte sich zu den Kindern um.
»Also schön! Fasst euch an den Händen. Immer zu zweit! Wir gehen zum Bowery Theater.«
Die Kinder nickten und fanden sich zu Paaren zusammen.
»Und was machst du?«, fragte Abigail Kate.
»Ich gehe Beetles nach.«
Und damit drehte sie sich um und rannte auf das Feuer zu.
Die Kirche stand an der Ecke der First Avenue und einer schmalen Querstraße. Der Mob drängte sich auf der Hauptstraße. Es waren Männer und Jungen, die Fackeln, Messer und Knüppel dabeihatten. Sie schrien, lachten und jubelten, schleuderten Pflastersteine und Flaschen durch die Fenster der Kirche. Ihre Gesichter waren im Licht der Flammen rot und dämonisch verzerrt. Hinter der rasenden Menge blieb Kate stehen.
Wie konnten sie so etwas nur tun? Woher kam dieser entsetzliche, unbändige Hass? Es waren doch bloß Kinder! Sie hatten nichts Böses getan!
Kate spürte, wie der Zorn in ihr hochstieg. Sie hätte am liebsten auf die Menschen eingeprügelt, ihnen wehgetan, und es schoss ihr blitzartig durch den Sinn, dass Rafe vermutlich die ganze Zeit so empfand.
Sie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit der Kirche zuzuwenden. Sie umrundete den Mob und gelangte in die Straße hinter der Kirche. Eine Mauer trennte das Grundstück, auf dem die Kirche stand, von dem Häuserblock. Kate rannte an dieser Mauer entlang. Die Hitze des Feuers war unerträglich. Kate fand Beetles, der sich wieder und wieder gegen eine schmauchende Holztür warf. Kate riss ihn zurück.
»Hör auf! Es ist zu gefährlich!«
»Er is immer noch da drin!«, schluchzte Beetles und versuchte, sich aus Kates Griff zu winden. »Jake is immer noch da drin! Lass mich los! Ich muss …«
Plötzlich explodierte die Tür nach außen. Schwarze Rauchschwaden quollen daraus hervor und kleine Gestalten taumelten ins Freie, etwa siebzehn, achtzehn Kinder. Sie krümmten sich, würgten und husteten.
Kate führte sie weg vom Feuer und ging zu jedem Einzelnen, um nachzusehen, ob jemand verletzt war. Jake war nicht unter ihnen. Kate drehte sich um und sah, dass Beetles seine Augen mit der Hand schützte und sich auf die Tür zuschob, hinter der es lichterloh brannte. Sie konnte ihn gerade noch packen, ehe er lossprinten wollte.
»Lass mich! Ich muss doch …!«
In dem Moment trat eine weitere Gestalt durch den Rauch aus der Kirche. Kate sah, dass es Rafe war. In seinen Armen hielt er ein Kind.
Beetles sackte in sich zusammen.
»Is das …?«, stammelte er. »Is er …?«
Es war Jake, den Rafe aus dem Feuer trug. Die Augen des kleinen Jungen waren geschlossen. Kate fühlte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Nein , dachte sie, nein, bitte nicht .
Da wurde der Junge auf Rafes Arm plötzlich von einem Hustenanfall geschüttelt. Er blinzelte und öffnete die rot unterlaufenen und tränenden Augen. Er blickte Kate und Beetles an.
»Hallo«, sagte er leise.
»Hallo«, sagte Beetles, der gleichzeitig weinte und strahlte.
Kate streckte die Hand aus und strich dem Jungen übers Haar. »Was hast du denn da drin gemacht? Wolltest du einen Laden aufmachen?«
Jake grinste schwach und sagte: »Ja, den Wir-brennen-die-Kirche-nieder-Laden.«
Rafe setzte den Jungen ab und Beetles legte den Arm um seinen Freund.
»Das sind alle.« Rafes Gesicht war gerötet und schweißüberströmt, seine Stimme heiser. »Wo sind diejenigen, die vorher rauskamen?«
»Abigail bringt sie zum Bowery Theater«, sagte Kate. »Sie meinte, der Impresario sei ein Freund von Miss B.«
Rafe schaute Beetles an. »Hast du gehört? Denkst du, ihr schafft es, diese Kinder auch dorthin zu bringen?«
»Na klar!«, sagte Beetles, wieder ganz der alte Aufschneider. »He, hört mal her! Alle Wilden , mir nach!«
Er schlang seinen Arm um Jakes Taille, um ihn zu stützen, und ging der kleinen Gruppe voraus die Straße entlang.
Kate und Rafe waren allein. Aus dem Inneren der Kirche erklang ein Krachen, gefolgt von einem lauten, metallischen Schlag, der das Gebrüll der Flammen übertönte.
»Das war eine der Glocken«, meinte Rafe. »Sie ist vom
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