Das Buch Rubyn

Papier! Es gab einfach keinen Ersatz für eine schriftliche Dokumentation.
    Der Zauberer blies wieder einen Rauchkringel, und dann fragte er plötzlich: »Michael, was geschieht wohl, wenn das Universum stirbt?«
    »Häh?«
    »Was glaubst du, was passieren wird? Das alles hier wird doch irgendwann einmal zu Ende gehen. Das Universum ist eine Masse von sich ständig ausdehnender Energie, und eines Tages wird es in sich zusammenfallen. Wie ein Kuchen, den man zu lange im Ofen gelassen hat. Und dann? Was wird dann sein? Das Nichts?«
    Michael zuckte mit den Schultern. Da war er überfragt.
    Der Zauberer beugte sich über den Tisch.
    »Es wird wiedergeboren werden.«
    Michael stotterte ein weiteres »Häh?« hervor.
    »Die Existenz des Universums ist keine Linie von Punkt A nach Punkt B. Stell es dir eher als Zirkel vor. Und irgendwo entlang dieses Kreises wird das Universum geboren, zerstört sich dann selbst und wird wiedergeboren, wieder und wieder, bis in alle Ewigkeit. Verstehst du?«
    »Ähm … tja, ich denke schon …«
    »Nun, jetzt kommt das Erstaunliche daran: Genauso wie das Universum wird auch alles darin wiedergeboren.« Der Zauberer breitete die Arme mit einer allumfassenden Geste aus. »Dieser Wald, das Tal, die Welt da draußen, alle Kreaturen, die sie bevölkern, haben vorher existiert und werden wieder existieren.«
    »Sie meinen, wir … uns alle gab es schon einmal?«
    »Aber gewiss doch! Dich, mich, Emma, Katherine, Gabriel, diesen Baum – all das ist ein Ablauf, der sich bis in die Ewigkeit wiederholen wird. Wer weiß, wie oft wir beide, du und ich, schon hier gesessen und dieses Gespräch geführt haben. Was der grässliche Magnus getan hat, ist Folgendes: Er hat Kontakt mit den früheren Versionen des Universums aufgenommen, hat sich auf magische Weise mit ihnen verbunden und jene früheren Ichs herausgepickt und in diese Welt gebracht. Wie oft er das getan hat, wie viele Kopien von sich selbst er herangeschafft hat, vermag ich nicht zu sagen. Aber wie Steine in einen Ozean, so warf er diese anderen Versionen von sich selbst aus ihrer eigenen Zeit in diejenige, in der er sie brauchte, sodass alle paar hundert Jahre ein neuer grässlicher Magnus geboren wurde.«
    »Aber … warum?«
    »Weil vor langer Zeit prophezeit wurde, dass sich die volle Macht der Bücher erst in Tausenden von Jahren offenbaren würde. Und ohne die Macht der Bücher – und zwar aller drei Bücher, verstehst du? – konnte er nicht hoffen, sein Ziel zu erreichen. Und deshalb …«
    »Dr. Pym«, unterbrach Michael ihn, »wissen Sie eigentlich, dass Sie uns nie gesagt haben, was genau sein Ziel ist?«
    »Habe ich nicht?«
    »Nein.«
    »Kein einziges Mal?«
    »Kein einziges Mal.«
    »Nun, sein Ziel ist es, die Welt in ein Zeitalter der Magie zu führen, wo er die alleinige, absolute Macht hat. Ein Zeitalter, in dem die Menschen nichts weiter sind als Sklaven. Das ist sein Ziel. Ein Ziel, das er seit Jahrtausenden verfolgt.«
    »Und könnte er das tun?«
    »Ob er das tun könnte? Mein Junge, die Macht der Bücher ist untrennbar mit dem Stoff des Seins verbunden. Stell es dir folgendermaßen vor: Jedes Mal, wenn Katherine das Buch Emerald benutzt, und jedes Mal, wenn du das Buch Rubyn benutzt, wird die Welt ringsum verändert. Und das, obwohl ihr die Macht der Bücher bislang unbewusst eingesetzt habt. Stell dir jetzt vor, jemand verfügt über diese Macht und hat den Willen, die Welt zu verändern, sie völlig umzugestalten. Oh ja, wenn der grässliche Magnus die Chroniken vom Anbeginn kontrolliert, dann kann er sein Ziel erreichen.«
    Michael fragte sich unwillkürlich, was er alles verändert hatte, als er die Chronik einsetzte. Kein Wunder, dass Dr. Pym gesagt hatte, die Bücher zu benutzen sei nur als letzte Möglichkeit zu sehen.
    »Wie ich schon sagte«, fuhr der Zauberer fort, »gelang es dem grässlichen Magnus mit Hilfe dieser früheren Versionen von sich selbst eine lebende Brücke zu erschaffen, die ihn durch die Zeit trug. Von Anfang an – und jetzt kommen wir zu dem, was ich in dem Haus herausgefunden habe – war es die Pflicht des gegenwärtigen Magnus, den nächsten Magnus ausfindig zu machen und auf ihn alle Erinnerungen und alle Macht zu übertragen.«
    »Was soll das denn bedeuten? Wozu denn?«
    »Diese Personen wurden ohne das Wissen geboren, woher sie kamen und welches ihr Schicksal sein würde. Erst durch die Erinnerungen des vorherigen grässlichen Magnus – die gleichzeitig die Erinnerungen aller