Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
Vom Netzwerk:
wartenden Gäste geschoben wurden. Es gab ein paar Zwerge an den Tischen, aber die meisten Speisenden waren Chinesen, die – so kam es Kate vor – alle durcheinanderredeten. Die Menschen saßen und standen so dicht gedrängt, dass Kate unwillkürlich einen Schritt zurücktrat.
    »Da sind sie«, sagte Rafe und deutete auf Jake, Beetles und Abigail, die an einem Tisch saßen und winkten.
    »Aber da ist kein Platz«, sagte Kate.
    »Wir setzen uns an die Theke.«
    Er nahm Kate bei der Hand und führte sie durch die Menge. An der Theke fanden sie noch ein Fleckchen, wo sie sich niederlassen konnten. Sie saßen Schulter an Schulter mit den Gästen rechts und links von ihnen. Eine niedrige Wand trennte den Raum hinter der Theke von der Küche, und Kate schaute zu, wie ein junger chinesischer Koch eine Zwiebel in einer derart atemberaubenden Geschwindigkeit klein hackte, dass sie sicher war, irgendjemand würde heute Fingerkuppen als Beilage in seiner Suppe finden.
    Rafe gab die Bestellung auf, und gleich darauf landeten zwei Schalen mit dampfend heißen, honigfarbenen Nudeln vor ihnen. Sie schwammen in einer milchigen Brühe, zusammen mit verschiedenen, für Kate nicht näher zu bestimmenden Gemüsestückchen, klein geschnittenen Eiern und Hühnerfleisch. Rafe reichte ihr zwei Stäbchen, und sie schaute genau zu, wie er seine Stäbchen zwischen den Fingern und der Krümmung seines Daumens balancierte. Er bemerkte ihren Blick.
    »Gibt’s so was nicht, da wo du herkommst?«
    »Doch, schon. Aber ich habe sie noch nie benutzt. Schon gar nicht bei Suppe.«
    Er grinste. Es war das allererste Mal, dass er sie offen anlächelte.
    »Schlürfen gehört auf jeden Fall dazu.«
    Er demonstrierte, wie man sich einen Haufen Nudelenden in den Mund stopfte und sie dann einsaugte, wie durch einen Strohhalm. Das Geräusch, das man dabei erzeugte, war unbeschreiblich und nur dadurch zu rechtfertigen, dass alle anderen es genauso machten.
    »Ich vermute, Tischmanieren waren zu dieser Zeit noch nicht erfunden«, sagte Kate mit einem schiefen Lächeln.
    »Versuch’s mal.«
    Kate merkte, dass ihr der Magen knurrte. Seit der Pastete, die sie sich mit Abigail geteilt hatte, hatte sie nichts mehr gegessen. Das war Stunden her. Kate wandte sich ihrer Schale zu. Die Nudeln waren dick und glitschig, und sie brauchte vier Anläufe, um auch nur eine einzige zwischen ihren Stäbchen festzuklemmen. Sie beugte sich dicht über die Schüssel, weil sie Angst hatte, sie würde die Nudel verlieren, wenn sie die Stäbchen höher heben würde. Die Nudel klatschte gegen ihre Wange, als sie sie einsaugte.
    »Und?«
    Kates Augen wurden groß. Sie drehte sich zu Rafe um. »Das schmeckt fantastisch!«
    »Sag ich doch.« Und wieder grinste er sie an.
    Eine Zeit lang vergaß Kate alles außer ihren Nudeln und sie schlürfte so laut und ungeniert wie jeder im Restaurant. Als sie aufblickte und sah, wie Rafe seine Schale hob und die Brühe trank, tat sie es ihm nach. Jetzt wurde sie mutiger und hob die Nudeln hoch, manchmal mit einem Stück Ei oder Hühnerfleisch. Dann senkte sie die köstliche Portion in den nach oben gewandten Mund. Und obwohl der Laden völlig überfüllt war, laut und stinkend, und obwohl sie ständig angerempelt und gestoßen wurde oder kalte Luft an ihrem Nacken fühlte, wenn jemand durch die Vorhänge an der Tür trat, war es wunderbar. Es war, als ob Kate alles, was sie tagtäglich mit sich herumschleppte – die Gedanken an ihre Eltern, die Sorge um ihre Geschwister und das Verlangen, zu ihnen zurückzukehren –, vor der Tür abgelegt hätte. Hier, eingezwängt an der schmuddeligen Theke war sie – wenn auch nur kurz – einfach nur ein Mädchen, das in einem fremdartigen und aufregenden Restaurant mit einem gleichaltrigen Jungen eine Schale Nudeleintopf aß.
    »Du kommst also wirklich aus der Zukunft?«
    »Ja.«
    »Und die Trennung funktioniert? Die Menschen vergessen tatsächlich, dass Magie existiert?«
    Kate nickte. »Sie glauben, Zauberei gibt’s nur im Märchen. Das dachte ich früher auch.«
    »Tja«, sagte der Junge und rührte nachdenklich mit den Stäbchen in den Resten seiner Suppe herum, »dann hat Miss B vielleicht doch recht. Vielleicht sollten wir uns einfach nur verstecken.«
    Kate schaute ihn an. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit.
    »Nicht alle Menschen hassen magische Geschöpfe. Du kannst nicht alle über einen Kamm scheren.«
    Der Junge drehte sich zu ihr um. Der Blick in seinen grünen Augen hatte ein Feuer,

Weitere Kostenlose Bücher