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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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streckte er erneut die Hand aus, fand die Stelle erst nicht, berührte dann gefrorene Haarspitzen. Ekel stieg in ihm auf, und es kostete ihn erhebliche Überwindung, die Finger nicht gleich wieder fortzuziehen.
    Es war kein Kopf. Den hätten wohl auch die Räuber mitgenommen.
    Fell. Ein Kleidungsstück womöglich.
    Aufatmend packte er fester zu und zog es an sich. Er suchte nach einem zweiten, fand aber keines. Mit einem Keuchen zwängte er sich durch das Leck und kam neben Libuse auf den Felsen hinauf.
    » Hier «, sagte er und hielt ihr seinen Fund hin. » Das wird dich warm halten. «
    Ihm schien, als starrte sie den Ballen aus Fell eine Ewigkei t l ang an, ehe sie die Hand danach ausstreckte. Mit bloßem Auge war in der Finsternis nicht zu erkennen, von welchem Tier der Pelz stammte. Doch als sie ihn zwischen den Händen rieb und daran roch, spürte Aelvin, wie sie erstarrte.
    » Wolf «, flüsterte sie und schlug das Fell zu seiner vollen Größe aus. » Das ist der Mantel eines Wolfskriegers. «

DIE SILBERFESTE
    B ald ließ die Strömung merklich nach. Wahrscheinlich wurde das Flussbett breiter. Das gegenüberliegende Ufer konnten sie nach wie vor nicht sehen. Wäre nicht die Kälte gewesen, hätten sie die Morava hier durchschwimmen können. Stattdessen aber blieb ihnen nur, sich weiterzuschleppen und auf einen trockenen Überweg zu hoffen.
    » Ein Zufall «, murmelte er zum wiederholten Mal. » Wir haben sie doch schon vor Wochen abgeschüttelt. «
    » Glaub mir, ich kenne ihren Geruch «, sagte sie tonlos. » So etwas vergisst man nicht. «
    Sie hatten den Fellmantel zurückgelassen, auch wenn sie seine Wärme bitter nötig hatten. Keiner von ihnen, schon gar nicht Libuse, hatte es über sich gebracht, das Ding um die Schultern zu legen.
    » Vielleicht haben die Räuber sie getötet «, sagte er.
    » Wohl eher sie die Räuber. «
    » Glaubst du, Gabriel ist bei ihnen? «
    » Ich weiß es nicht. Wir hätten ihn töten sollen, als wir die Gelegenheit dazu hatten. Mein Vater hatte Recht. «
    » Du selbst hast ihn doch davon abgehalten. «
    » Weil ich dachte – « Mit einem Knurren, das selbst ein wenig wölfisch klang, unterbrach sie sich. » Egal. Jetzt ist es ohnehin zu spät. «
    » Selbst wenn es seine Männer sind, müssen sie ihn nich t a ufgelesen haben. Wir hatten einen Vorsprung von mehreren Tagesreisen, als wir ihn ausgesetzt haben. «
    » Was macht dich da so sicher? Ebenso gut können sie uns von Regensburg aus auf dem Fluss gefolgt sein. Vielleicht waren sie nur wenige Stunden hinter uns. Vielleicht sind wir ihnen ein paar Mal nur knapp entkommen, ohne es überhaupt zu bemerken. «
    » Vielleicht, vielleicht «, murmelte er mürrisch.
    Sie blieb stehen und zog ihn an der Schulter zu sich herum. » Du kennst diese Männer nicht halb so gut, wie ich sie kenne. «
    » Nein. Aber ganz gleich, was sie dir und deinem Vater angetan haben, sind sie doch am Ende nur Menschen. Mörder, gewiss. Gottlose Bestien. Aber sie besitzen keine übernatürlichen Kräfte, und sie sind genauso an Gottes Erde gebunden wie wir. « Beinahe hätte er hinzugefügt: Sonst wären sie mit dem Teufel im Bunde.
    » Sie sind es «, behauptete sie beharrlich. » Ich weiß es. Und wo sie sind … « Sie ließ seine Schulter los und blickte zur schwarzen Mauer des Waldrands, nur wenige Schritte entfernt. » Sie sind irgendwo in diesen Wäldern «, wisperte sie wie zu sich selbst.
    Sie gingen weiter, doch schon bald vernahmen sie aus dem Tann zu ihrer Linken Geräusche. Das Tosen des Flusses war zu einem gleichförmigen Rauschen geworden, seit die Strömung nachgelassen hatte. Undeutlich drangen Stimmen zwischen den verschneiten Bäumen hervor.
    Blitzschnell stolperten sie an den Rand des Unterholzes und gingen zwischen struppigen Holunderbüschen in die Hocke. Sie konnten nichts sehen und nur die ungefähre Richtung der Menschen ausmachen.
    » Das sind sie nicht «, flüsterte Aelvin ein wenig zu hastig, weil er ein Gutteil seiner Überzeugungskraft darauf verwenden musste, seine eigenen Zweifel zu besänftigen.
    Libuse rührte sich nicht. Im ersten Moment glaubte er, sie lausche angestrengt ins Dunkel. Doch dann erkannte er, dass es der Schrecken war, der sie hatte erstarren lassen. Die Erinnerung an die Ereignisse im Turm. So hart sie sich nach außen hin geben mochte, gegen das Grauen jener Stunden war sie so hilflos wie ein Kind.
    Sehr vorsichtig nahm er ihre Hand. Sie ließ es geschehen.
    » Das sind keine Wolfskrieger «,

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