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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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war anstrengend genug, immer wieder stolperten sie in de r F insternis über Steine, Buschwerk und Wurzeln. Doch Aelvin vermutete, dass Libuse am meisten unter der Entkräftung durch die Beschwörung litt.
    Sie hatten keine Möglichkeit, eine Flamme zu entzünden, denn sämtliches Gepäck war bei den anderen zurückgeblieben: Beide hatten ihre Rucksäcke abgestreift, bevor sie sich den Räubern im Kampf gestellt hatten.
    So tappten sie durch die Dunkelheit, immer am Fluss entlang. Schaumkronen und Wasserwirbel waren selbst aus der Nähe nicht mehr zu erkennen, nur ein vages Rumoren, Schattierungen von Grau in Grau.
    Irgendwann war da plötzlich etwas vor ihnen, ganz unvermittelt. Ein Bootswrack. Sie bemerkten es erst, als sie direkt davorstanden. Schwarz, wie verkohlt, lag es halb im Wasser, halb am Ufer. Der Rumpf war von den Felsen aufgerissen worden, und zersplitterte Planken stachen in den gähnenden Laderaum.
    » Das liegt noch nicht lange hier «, stellte Libuse fest, während ihre Finger über das Holz fuhren.
    » Woher weißt du das? «
    » Sonst wäre viel mehr Schnee darauf festgefroren. «
    Das Boot lag schräg auf der Seite, das Deck wies nach Süden. Es war ein recht stattliches Gefährt, wohl ein Händlerboot, mindestens so groß wie die schwimmende Kirche. In der Dunkelheit ließ sich nicht viel erkennen. Die Öffnung des Laderaums an Deck stand weit offen, ein finsteres Rechteck inmitten der Nacht. Der überdachte Steuerstand, ein Gerüst aus Holz und gefettetem Tuch, war bei dem Aufprall zerschmettert worden, genauso wie der Mast, der in drei Teile geborsten war. Das Segel lag in einem Gewirr aus schlaffem Seil über den Bug und ein Stück des Ufers gebreitet.
    » Hier ist keiner mehr «, flüsterte Libuse, als fürchtete sie, etwas im Inneren des Rumpfs zu wecken.
    » Muss ein schlimmer Aufprall gewesen sein «, sagte Aelvin.
    » Schwer vorzustellen, dass sich dabei niemand verletzt haben soll. «
    » Du meinst, da drinnen liegen vielleicht noch Leichen? «
    » Möglich. «
    Sie atmete tief durch. » Und wenn schon. Das hier ist nicht unsere Sache. «
    Aelvin erinnerte sich an seine einsame Wache in einer der ersten Nächte im Moravatal und an das Gefühl, dass etwas Großes, Dunkles den Fluss hinaufgeglitten war. War das dieses Boot gewesen?
    Er konnte den Blick nicht von der offenen Ladeluke nehmen, sie sah aus, als könne jeden Moment etwas daraus hervorspringen und sich auf sie stürzen. » Jedenfalls liegt es sicher länger als ein paar Stunden hier. Das heißt, dass wir es heute Nachmittag hätten sehen müssen, wären wir daran vorbeigekommen. Und das wiederum bedeutet – «
    » Dass wir schon weiter südlich sind als die Stelle, an der die Räuber uns überfallen haben «, bestätigte sie. » Wir sind schon daran vorbei. «
    Das hätte ein Grund zu verhaltener Freude sein können, denn damit lagen auch die Furt oder die Brücke ein gutes Stück näher. Doch die Vorstellung, dass sie womöglich im Dunkeln an ihren toten Gefährten vorübergeirrt waren, brachte eine Woge neuer Verzweiflung und Hilflosigkeit mit sich. Eine Weile schwiegen sie von Trauer erfasst und gaben vor, den Rumpf zu untersuchen, als sei er mit einem Mal von enormer Wichtigkeit. Schließlich fasste Aelvin sich ein Herz und stieg durch den geborstenen Rumpf in den Laderaum. Er musste sich äußerst vorsichtig vorantasten, denn die Dunkelheit im Inneren war so vollkommen, dass nicht einmal Umrisse auszumachen waren.
    » Warte, ich komme mit «, flüsterte Libuse jenseits des ausgezackten Lochs.
    » Pass lieber draußen auf. «
    » Und worauf? «
    Er versuchte auf Geräusche in den Tiefen des Bootswracks zu lauschen, doch das Brausen des Flusses übertönte jedes Atmen, jedes Rascheln. Beim Klettern stieß er sich den Kopf an unsichtbaren Verstrebungen, schürfte sich die Fingerknöchel an einem groben Balken auf und ertastete die Ecken durcheinander geworfener Kisten. Sie waren aufgebrochen und leer, soweit sich das erkennen ließ. Eine so leichte Beute hatten sich die Räuber nicht entgehen lassen. Vermutlich hatten sie die Überlebenden des Unglücks erschlagen und in den Fluss geworfen.
    » Hast du irgendwas gefunden? «, zischte Libuse von der Öffnung her.
    » Nur leere Kisten. «
    » Komm lieber wieder raus. «
    Seine Hand berührte etwas Weiches. Mit einem Aufschrei zog er sie zurück.
    » Was ist? «
    » Ich hab was angefasst … Haare, glaube ich. «
    Sie gab eine dumpfe Verwünschung von sich.
    Sehr zaghaft

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