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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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versucht, die Audienz vor dem Wesir geheim halten zu lassen, aber ich bin nicht sicher, ob es gelungen ist. Mag sein, dass er bereits Bescheid weiß. Obgleich er in Zeiten wie diesen Wichtigeres zu tun haben sollte, als sich um die Gäste seines Gebieters zu kümmern. «
    » Ich danke dir «, sagte Corax und verneigte sich leicht.
    » Danke mir nicht «, erwiderte Ja ’ far mit einem Kopfschütteln. » Wir waren einmal Freunde, Corax. Es schmerzt mich, dich in die Höhle des Löwen zu schicken. «
    » Es ist meine freie Entscheidung «, sagte Corax.
    » Das ist es «, sagte Ja ’ far und beugte sich so weit vor, dass die Flammenzungen aus der Feuerschale fast über seine Züge leckten. Die Glut schien dort nichts zu finden, das sich zu verbrennen lohnte. » Ich wünsche dir Glück, Corax. Aber wiedersehen werden wir uns nicht. «
    AL -MUTASIM
    J a’ fars Schwiegersohn Hilal war ein schweigsamer Mann, hager und mit langen schmalen Händen, die eher zu einem Spielmann passten als zu einem Krieger. Als Corax, Albertus und die verschleierte Libuse den Audienzsaal des Kalifen betraten, blieb Hilal am Tor zurück, wartete einen Augenblick und eilte dann überstürzt davon. Er mochte Hauptmann der Palastwache sein, doch auch er schien seinem Gebieter nicht länger als nötig unter die Augen zu treten.
    Kalif al-Mutasim erwartete sie am anderen Ende des Saals, auf einem Podest aus sieben Stufen, dem sie sich bis auf zehn Schritte nähern durften. Zwei Gardisten verstellten ihnen den Weg. Die Augen von zwanzig weiteren folgten jeder ihrer Bewegungen.
    » So also setzt du dich über meinen Urteilsspruch hinweg «, sagte der Kalif an Corax gewandt zur Begrüßung auf Lateinisch. Dann aber lächelte er. » Ich kann nicht umhin zu gestehen, dass es mich freut, dich wieder zu sehen. «
    Bei diesen Worten hätte Libuse ein Stein vom Herzen fallen sollen, doch aus irgendeinem Grund wurde ihre Beunruhigung nicht geringer. Die Angst hatte so tief in ihr Wurzeln geschlagen, dass selbst das freundlichste Willkommen sie nicht herausreißen konnte. Libuse traute weder dem Kalifen noch den schwer bewaffneten Leibgardisten, die zwischen ihnen und dem Herrscher Stellung bezogen hatten. Sosehr sie sic h a uch bemühte, die Männer nicht zu beachten und sich ganz auf al-Mutasim zu konzentrieren, es wollte ihr doch nicht gänzlich gelingen. Die stummen Krieger mit ihren Schalenhelmen, Kettenhemden und Schwertlanzen mochten innerhalb eines Atemzuges ein Urteil vollstrecken, das vor vielen Jahren verhängt worden war.
    Corax ließ sich auf die Knie sinken und zog Libuse mit sich. Albertus tat es ihnen gleich. Sie alle beugten die Oberkörper vor und breiteten die Arme am Boden aus.
    » Gepriesen sei Allah, der Herr der Welten! «, sagte Corax. » Und Segen und Heil auch dir, Herr der Gottgesandten. Allah sei mit dir und gebe dir Frieden und Glück. Er ist der Allherrscher und allgeehrt und allgnädig und allgütig und allbarmherzig. Du aber bist seine Hand auf Erden, und deine Weisheit ist die Weisheit Gottes. «
    » Erhebt euch «, sprach der Kalif.
    Reglos beobachteten die Soldaten, wie die drei Besucher aufstanden. Libuse wollte ihrem Vater helfen, doch er schüttelte ihre Hand ab.
    » Es ist dir nicht gut ergangen, wie ich sehe «, sagte al-Mutasim über die Köpfe der beiden Gardisten hinweg.
    » Es ist auf dem Weg hierher geschehen, Allehrwürdiger «, log Corax, um sich weitere Erklärungen zu ersparen. » Schon vor vielen Wochen. Wir sind überfallen worden. «
    » Nicht in meinem Reich, hoffe ich. «
    » In deinem Reich haben wir nichts als Freundschaft und Hilfsbereitschaft erfahren, gnadenvoller Gebieter. «
    Al-Mutasim nahm das Kompliment mit zufriedenem Lächeln entgegen. Libuse versuchte, ihn einzuschätzen, aber sie war noch immer viel zu aufgeregt.
    Der Kalif hatte die Züge eines jungen Mannes, obgleich sein vierzigstes Jahr längst verstrichen war. Als er den Thron bestiegen hatte, kurz vor Corax ’ damaliger Ankunft in Bagdad, war er ein Jüngling gewesen, unerfahren und vom Willen erfüllt, Neuerungen durchzusetzen und Gerechtigkeit walten zu lassen. Doch das lag viele Jahre zurück. Hilals rasche Flucht vom Tor des Audienzsaals ließ nicht auf einen geduldigen Herrscher schließen.
    Al-Mutasim trug weinrote Gewänder und einen schneeweißen Umhang, der bis zum Boden reichte. Sein schwarzer Bart war kurz gestutzt. Goldene Ringe und ein einzelner Armreif erschienen Libuse als bescheidenes Zierwerk im Vergleich zum übrigen

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