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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ist es eben keine Brücke, sondern ein Tunnel. «
    » Was ? «, entfuhr es Odo entsetzt. » Das ist nicht dein Ernst! «
    Aelvin fuhr herum. » Sie töten uns, wenn sie uns fangen! Und es wird gleich so weit sein, wenn wir noch lange hier rumstehen und Maulaffen feilhalten. «
    » Wir könnten immer noch zurück ins Kloster und – «
    Albertus schüttelte den Kopf. » Der Abt wird ihnen das Tor öffnen. Ich konnte ihn nicht davon abhalten. Er hat gesagt, ihr seid mit allergrößter Wahrscheinlichkeit über die Mauer geklettert und nun irgendwo hier draußen. Ich bin euren Spuren gefolgt. «
    Odo bekam große Augen. » Der Abt kennt den Weg über die Mauer? «
    Aelvin war ebenso überrascht wie sein Freund, aber im Gegensatz zu Odo sah er ein, dass sie dringlichere Sorgen hat ten als die Schläue eines Abtes, den sie womöglich jahrelang unterschätzt hatten.
    » Wenn er sie ins Kloster lässt und wir sind nicht da, dann werden sie den Mönchen vielleicht nichts tun «, sagte Favola hoffnungsvoll.
    Albertus nickte. » Möglicherweise. Köln ist zu nah, das weiß auch Gabriel. Und Konrad kann nicht daran gelegen sein, im Grenzgebiet zu seinem Erzfeind in Jülich für allzu großen Aufruhr zu sorgen. «
    » Wer ist Gabriel? «, fragte Aelvin und scharrte mit dem Fuß den Schnee vor der Öffnung beiseite.
    » Gabriel von Goldau. Ihr Anführer. «
    Das Loch war jetzt groß genug. Vom Tor her ertönten Rufe. Noch hatte der Abt die Männer nicht eingelassen. Das verschaffte ihnen mehr Zeit. Es sei denn, dieser Gabriel ließ seine Reiter ausschwärmen. Womöglich aber glaubte er tatsächlich, Albertus und Favola in der Zisterzienserabtei in die Enge getrieben zu haben.
    » Ich … ich geh voran «, sagte Aelvin, nachdem er einen letzten Blick auf Favola geworfen hatte. Angst stand in ihren Augen, um ihn, um die Lumina, um sie alle.
    » Nein, lass mich gehen «, sagte sie und drängte sich an ihm vorüber.
    » Aber du kennst den Weg nicht «, widersprach Aelvin recht hilflos.
    Sie blickte an der schnurgeraden Wasserleitung entlang, die etwa zwanzig Schritt vor ihnen im Schneetreiben verschwamm. Noch immer war die andere Seite der Kluft nicht zu sehen. » Da sind nur zwei Wege «, sagte sie tonlos. » Einer führt geradeaus – «
    Sie sahen einander an.
    » Zu spät! «, zischte Albertus.
    Sie alle folgten seinem Blick zur Kehre der Mauer. Ein düsterer Umriss war erschienen, noch immer in Bewegun g u nd seltsam unwirklich hinter dem wirbelnden Flockenfall. Reiter und Ross verschmolzen als graue Silhouette zu einem einzigen Wesen, klobig, vierbeinig, ein Fabelwesen wie aus den blasphemischen Illuminationen verbotener Codices.
    » Liebe Güte! Liebe Güte! «, jammerte Odo und begann leise zu beten.
    Aelvin fuhr herum und wollte durch die Öffnung ins Innere des Aquädukts schlüpfen, doch Favola kam ihm zuvor. Erstaunlich flink glitt sie in das finstere Loch, aus dem ihnen das Klagen säuselnder Luftströme entgegenhallte.
    » Favola! «
    Aber sie war schon verschwunden. Albertus machte scheuchende Handbewegungen in Aelvins Richtung. » Los, hinterher! «
    Aelvin zögerte nicht länger. Auf allen vieren kroch er in den engen Schacht. Das Innere der einstigen Wasserleitung war etwa anderthalb Schritt hoch und in seinem oberen Teil einen Schritt breit. Nach unten hin aber verengte es sich zu einer schmalen Rinne, in der man nur mit Mühe beide Füße nebeneinander setzen konnte.
    » Weiter, weiter «, hörte er Albertus draußen rufen, und nun glaubte er auch das dumpfe Dröhnen galoppierender Hufe im Schnee zu hören. » Junge, beim Herrn und den himmlischen Heerscharen – nun kriech schon hinein! « Odo stand immer noch da und betete.
    » Odo! «, brüllte Aelvin. » Komm endlich! «
    Aber Odo rührte sich nicht. Aelvin erwartete, dass Albertus ihn mit Gewalt in die Röhre stoßen würde, doch stattdessen verdunkelte nun der Magister selbst den hellen Eingang und kletterte als Dritter hinein.
    Aelvin blieb stehen. » Was ist mit Odo? «
    » Ich kann Favola nicht allein lassen! «, sagte Albertus keuchend, während er sich in die Enge des Tunnels zwängte. » Er wird schon kommen, wenn wir alle vorangehen. «
    » Wir können ihn doch nicht einfach da draußen zurücklassen! «
    » Glaub nicht, dass mir das leicht fällt. Aber die Lumina ist wichtiger. «
    Aelvin blockierte noch immer die Röhre. In der Enge des Tunnels starrte er den Magister wutentbrannt über die Schulter an. » Eine Pflanze ist wichtiger als ein Mensch?

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