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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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allem Übel die Gesellschaft schuld ist.“
    „Natürlich denke ich das, aber das interessiert mich eigentlich nicht.“
    „Du sagst also so einem armen Schlucker, der ein Ding gedreht oder im Suff seine Tochter vergewaltigt hat …“
    „Karel!“, warnte Beerta.
    „… alles die Schuld der Gesellschaft, aber du musst trotzdem in den Knast, sieh mal zu. Damit züchtest du doch Wiederholungstäter?“
    „Diese Leute interessieren mich nicht.“
    „Aber du schließt sie schon weg!“, rief Karel aufgeregt. „Du bescherst ihnen für den Rest ihres Lebens Schuldgefühle!“
    „Karel! Reg dich doch nicht so auf!“, sagte Beerta lächelnd.
    „Wenn es zu bunt wird, schließ ich sie weg“, sagte Maarten. „Mit den Schuldgefühlen müssen sie selbst klarkommen.“
    „Präventiv!“, höhnte Karel.
    „Oder aus Rache.“
    „Rache?“, fragte Karel fassungslos. Er hob die Arme. „Das ist doch tiefstes Mittelalter!“
    „Wenn zwei Männer einen alten Bauern auf grausame Weise umbringen,weil er ein paar hundert Gulden bei sich hat, dürfen sie, soweit es mich betrifft, getötet werden.“ Er spürte, dass schon das Beispiel allein eine gewaltige Wut in ihm aufsteigen ließ.
    „Ich bin gegen die Todesstrafe“, warnte Beerta.
    „Ich auch“, sagte Maarten, „aber nur, weil sie von einem anderen vollzogen werden muss.“
    „Ich bin auch gegen die Todesstrafe“, sagte Nicolien. „Und ich bin anderer Meinung als Maarten.“
    „Siehst du!“, sagte Karel zu Maarten. „Deine eigene Frau ist anderer Meinung als du.“
    Maarten konnte dies nur schwer ertragen, aber er nahm sich zusammen.
    „Wollt ihr noch einen Sch-schnaps?“, fragte Beerta.
    Er schenkte ihnen noch einmal nach. Es entstand eine Stille.
    „Der Mensch neigt zum Übel“, bemerkte Beerta.
    „Ja, das kann man wohl sagen“, sagte Karel. „Aber es geht nicht an, ihn deshalb wegzuschließen.“
    „Ich meine damit, dass jede Gesellschaft ihr eigenes Übel hat“, sagte Maarten, „und dass derjenige, der diese zufälligen gesellschaftlichen Regeln nicht befolgt, ausgestoßen wird. Das sind meine Freunde. Die anderen interessieren mich nicht.“
    „Nenn mal ein Beispiel“, bat Karel.
    Maarten antwortete nicht sofort. Er wollte sagen, dass Karel selbst und Beerta so ein Beispiel seien, aber er behielt es für sich. „Ich bin so ein Beispiel“, sagte er schließlich.
    *
    Im Herbst fuhr Beerta, ohne dass er, wie er selbst sagte, Lust dazu hatte, sondern weil es ihm sein Hausarzt befohlen hatte, zusammen mit Karel in Urlaub. De Bruin bekam von Fräulein Haan den Auftrag, die Post für den Direktor auf ihren Schreibtisch zu legen, von wo aus sie dann wieder auf Beertas Schreibtisch wanderte. Als Maarten einmal den
Zeeuwse Courant
, den Beerta las, aus dem Briefkasten geholt hatte, wurde de Bruin zur Verantwortung gezogen. Nicht, weil Fräulein Haan den
Zeeuwse Courant
selbst las, sondern weil sie die Zeitungauf Beertas Schreibtisch legen wollte. Maarten ließ es über sich ergehen, auch wenn es ihn aufregte.
    Am zweiten Samstag während des Urlaubs von Beerta lag er mit Kopfschmerzen im Bett. Als er am Montag wieder zur Arbeit kam, war die leere Milchflasche von seinem Schreibtisch verschwunden. Er sah es sofort und ging zum Verschlag von de Bruin, der gerade mit dem Kaffee beschäftigt war. „Hast du meine Milchflasche gesehen?“, fragte er.
    De Bruin drehte sich langsam um. „Die habe ich hier.“ Er holte sie aus dem Schrank. „Die habe ich für dich aufgehoben. Deetje Haan fand, dass es kein Anblick wäre, und wollte, dass ich sie wegschmeiße.“
    „Danke.“ Er hatte de Bruin die Sache mit dem Schlüssel nicht verziehen und keine Lust, gemeinsame Sache mit ihm zu machen. Wütend ging er mit der Flasche zurück in sein Zimmer. Als er den zweiten Raum betrat, telefonierte Fräulein Haan gerade. „Das scheint mir herrlich, in einem Büro zu arbeiten, wo man einem anderen nicht einen Tritt geben muss, um selbst hochzukommen“, sagte sie mit zuckersüßer Stimme in den Hörer. Sie schaute auf und sah Maarten mit seiner Milchflasche vorbeikommen, woraufhin sie ihren Blick wieder senkte. Maarten ging in sein Zimmer und stellte die Flasche kraftvoll auf seinen Schreibtisch. „Was für ein Weibsstück!“, sagte er wütend. „Gott beschütze den, der mit ihr zusammenarbeiten muss!“
    *
    Halb im Schlaf sah er sich selbst als kleines Tier, das verzweifelt durch einen hohen grauen Raum rannte, ohne einen Ausgang finden zu können.
    *
    „Und

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