Das Büro
nachschauen, ob dort schon mal Maßnahmen gegen den Brauch ergriffen worden sind.“
„Dann soll ich zu diesem Archiv fahren?“ Er mochte nicht einmal daran denken.
„Ja.“
Maarten sah zu ihm hoch. „Bist du denn schon mal in so einem Archiv gewesen?“
„Natürlich. Sie denn nicht?“
Maarten schüttelte den Kopf. „Zu meiner Zeit war das noch nicht nötig. Wie geht das vor sich?“
Die Frage erstaunte Bart sichtlich.
„Ich meine, wie findet man sich da zurecht?“
„Sie gehen hinein und sagen dem Archivar, was Sie suchen. Der hilft Ihnen dann weiter.“
Maarten lächelte. „Wenn ich so jemanden frage, was der Bischofmit der Nachgeburt des Pferdes getan hat, denkt er, dass ich ihn auf den Arm nehmen will.“
„Das weiß ich nicht. Er wird wohl häufiger ungewöhnliche Fragen zu hören bekommen. Es dient doch einem wissenschaftlichen Zweck?“ Er legte die Betonung auf
Zweck
, das
ck
dabei überdeutlich aussprechend.
Maarten sah sich in seiner Phantasie in einer monumentalen Halle einem schwarzgekleideten Priester gegenüberstehen. Das erinnerte ihn an einen Jungen an seiner Schule, der kurz nach der Befreiung von den deutschen Besatzern mit einem Maßband beim Pastor der Weigeliakirche erschienen war, um auszumessen, wie viele Pferde man in der Kirche unterbringen könne, wenn die Russen kämen. Die Erinnerung weckte in ihm ein stilles Vergnügen. Er zögerte, ob er sie erzählen sollte, sah dann jedoch davon ab, weil ihm der Zusammenhang selbst nicht klar war. Stattdessen zog er die Ausgabe mit seinem Aufsatz zwischen den auf seinem Schreibtisch aufgereihten Büchern hervor und schlug sie auf der Titelseite auf. „Eigentlich hätte dort als Untertitel stehen müssen“, sagte er, „
auf der Basis einer Auswertung der im Besitz des Büros von Herrn Beerta befindlichen Daten
.“
*
„Sieh an! Noch ein Buch aus meiner Bibliothek!“, sagte sein Vater. Er zog eines der Bücher ein Stück aus dem Regal heraus und stieß es wieder zurück. „Dafür ist der alte Herr noch gut genug.“
Maarten folgte der Inspektionstour von der Couch aus. „Das hast du mir gegeben.“
„Geliehen, meinst du wohl“, sagte sein Vater ironisch. „Geben tue ich nichts. Ich verschenke doch nicht alles vor meinem Tod. Wo steht die Doktorarbeit deines Bruders?“
„Im Abstellraum.“
„Es ist im Übrigen eine verdammt gute Doktorarbeit.“
„Das kann ich nicht beurteilen.“
Nicolien kam aus der Küche. „Hier ist die Suppe. Kommt ihr zu Tisch?“
„Dann sage ich es dir“, sagte sein Vater und drehte sich um.
„Du kannst es ebenso wenig beurteilen.“ Er stand auf. „Es ist nicht dein Fach.“
„Aber ich kann schon beurteilen, ob etwas gut geschrieben ist. Und das ist verdammt gut geschrieben.“
Sie setzten sich an den Tisch.
„Es gibt für jeden fünf Klöße“, sagte Nicolien.
„Ich werde mal auftun“, sagte Maarten. Er stellte sich hin und rührte mit der Schöpfkelle durch die Suppe. „Gib mir mal deinen Teller.“ Er schöpfte die Suppe in ihren Teller.
„Ich habe einen Kloß zu viel“, warnte sie.
„Das regeln wir gleich. Vater!“
„Ich finde es nach wie vor schade, dass du keine Doktorarbeit schreibst“, sagte sein Vater und hielt ihm den Teller hin.
„Ich mache da nicht mit. Gib Vater deinen Kloß, er hat einen zu wenig.“
„Ich hab genug. Behalt ihn ruhig, Kind.“ Doch Nicolien hatte den Kloß bereits mit ihrem Löffel in seinen Teller gelegt. „Dann eben ein Buch“, sagte er zu Maarten. Er fing an zu essen, ohne zu warten, bis Maarten sich selbst aufgetan hatte.
„Man soll nur dann schreiben, wenn man etwas zu sagen hat.“ Es irritierte ihn, dass sein Vater bereits aß.
„Unsinn! Du
hast
etwas zu sagen. Die Kunst besteht nur darin, ein Thema zu finden, an dem du Spaß hast.“
„Und das gibt es nicht.“
„Du könntest beispielsweise versuchen, eine Verbindung zwischen der heutigen Volkskultur und der Archäologie zu finden. Dann kann dein anderer Bruder dich mit Informationen versorgen.“
„Diese Verbindung gibt es nicht. Das ist eine völlig überholte Idee.“
„Siehst du, dass du darüber etwas weißt!“ – er hatte seine Suppe bereits aufgegessen und schob den Teller beiseite.
„Aber ich habe keinen Spaß daran.“
„Dann etwas, an dem du Spaß hast!“
„Ich habe nur Spaß daran, Suppe zu essen!“, sagte Maarten irritiert.
„Dann schreibst du eben darüber!“
„Nein, ich ziehe es vor, Suppe zu
essen
. Ich will nicht darüber
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