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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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aber nicht von Herzen.
    „Und weiter?“, fragte Maarten und sah ihn an.
    „Das reicht erst mal“, sage Frans verlegen, „oder meinst du nicht?“, Maarten nickte.
    Sie schwiegen.
    „Wollt ihr noch eine Tasse?“, fragte Nicolien. Sie stand auf.
    „Ich habe gehört, dass Erfrieren der schönste Tod wäre“, sagte Frans, als sie die Tassen eingeschenkt hatte. Er sah von Nicolien zu Maarten. „Habt ihr das auch schon gehört?“
    „Ich dachte, Ertrinken“, sagte Maarten.
    „Oh.“
    „Ertrinken ist das Einatmen von Wasser“, zitierte Maarten, „Augen, Ohren, Lymphkanäle, das alles trinkt sich endlich satt.“
    „Nein, ich dachte, Erfrieren. Ich habe gehört, dass man dann allerlei Halluzinationen bekommt, und zwar angenehme.“
    „Beim Ertrinken scheint man sein gesamtes Leben noch einmal vor sich zu sehen“, erinnerte sich Maarten.
    „Das finde ich eigentlich nicht so schön. Das wissen wir ja nun.“
    Maarten lachte. „Wie will man das denn machen? Sich in den Gefrierschrank setzen?“
    „Man könnte nach Norwegen fahren und dann einfach in die Berge gehen.“
    „Mit seinen Tagebüchern in einem Köfferchen. Denn die muss man da oben natürlich vorzeigen.“
    Frans schmunzelte, obwohl ihm offenkundig nicht danach zumute war. „Ja, zum Beispiel“, sagte er.
     
    Als Maarten ihn zur Tür brachte und er schon draußen war, drehte er sich zögernd um. „Ich würde gern einmal mit euch spazierengehen? Ginge das?“
    „Ja, natürlich geht das. Schön.“ Es klang nicht sonderlich überzeugend.
    „Vielleicht Sonntag?“
    „Gut.“
    „Ich fand dich nicht besonders freundlich“, sagte Nicolien, als er wieder ins Zimmer kam.
    „Er irritiert mich. Ich kann diese Hilflosigkeit nicht ausstehen.“
    „Aber das ist, weil er krank ist.“
    „Ja“, sagte er widerwillig.
    „Dann kannst du doch wohl etwas netter sein?“
    „Ja, ich war nicht sehr nett“, gab er zu.
    *
    Karel Ravelli öffnete ihnen mit einem breiten Grinsen. Er trug eine Brille mit einem schweren, schwarzen Gestell und einen gutgeschnittenen grauen Anzug. Er war dick geworden. „Kommt herein!“, sagte er. Seine Hand fühlte sich feucht an, eine schlaffe Hand. Er ging vor ihnen her, eine schmale Treppe hinauf in den ersten Stock. Auf dem Boden des Vorzimmers, in das sie eintraten, lag schwarzes Linoleum. Durch die Bäume vor dem Haus schien das Licht bei den Fenstern eine grünliche Farbe zu haben. In der Mitte des Zimmers standen drei schwarze Armstühle aus Stahl um ein tadellos in Grau und Rot lackiertes Tischchen gruppiert, auf dem sich lediglich ein sauberer Aschenbecher befand, und etwas seitlich davon eine dezente Stehlampe. Neben den geöffneten Schiebetüren zwischen dem vorderen und dem Hinterzimmer stand ein Ficus. Die Wand wurde von einem schwarzlackierten Bücherregal ausgefüllt, an der anderen Wand hing der Abguss eines Wasserspeiers. „Wollt ihr erst Tee?“, fragte er laut. „Dann setze ich eben Wasser auf. Macht es euch inzwischen bequem.“
    Während Nicolien sich hinsetzte, warf Maarten einen Blick in das Hinterzimmer. Auf einem Tisch standen eine Schale mit Käsegebäck, eine Schale mit Erdnüssen, ein Brett mit Camemberttoasts und eine Flasche Wein mit einem Korkenzieher daneben. Er ging weiter zum Fenster und blickte auf die Gracht. Das Fenster war zur Hälfte hochgeschoben. Draußen hörte man die Geräusche des Sommerabends, gedämpft durch das tiefe Grün der Bäume. In der Gracht vor dem Haus lag ein verwittertes, ehemals weißes Hausboot mit einem grünen Rand entlang des Daches. „Er wohnt hier schon toll“, sagte er.
    „Ja“, sagte sie.
    „Bewunderst du meinen Ausblick?“, fragte Karel, der den Raum betrat. „Für mich ist das der schönste Fleck Amsterdams, gleich nachder Gouden Bocht! Nur die Hausboote sind eine
bloody shame
, die sollte man verbieten.“
    „Die finde ich gerade schön“, sagte Nicolien.
    „Ich auch! Aber nicht hier! Dafür gibt es den Seitenkanal F. Neulich kam der Besitzer bei mir an und fragte mich, ob er ein Buch von mir leihen könnte! Er hatte gesehen, dass ich Bücher habe!“ Er lachte herzlich. „Das hätte ich mir dann auf dem Flohmarkt Waterlooplein wieder zurückholen können!“ In der Ferne begann ein Wasserkessel zu pfeifen. „Einen Augenblick noch!“ Er verließ den Raum wieder.
    Maarten setzte sich. Er vermied es, Nicolien anzusehen.
    „Wir bleiben doch nicht allzu lange, oder?“, fragte sie beklommen.
    „Wir werden sehen“, wehrte er ab.
    „Denn du

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