Das Büro
Er reichte sein Fernglas an Nicolien weiter.
Sie sah hinein und drehte an dem Rädchen. „Ich sehe ihn nicht.“ Sie gab das Fernglas wieder zurück.
„Woran siehst du, dass es ein Turmfalke ist?“, fragte Maarten.
„Da! Er kommt hinter dem Baum hervor.“
Maarten sah ihn jetzt auch.
„Hör mal!“ – der Vogel schrie so etwas wie
ki-hi-ki-hi
– „Es ist ein Turmfalke.“
Maarten schlug ihn in seinem Buch nach. „Schön“, sagte er zufrieden, als er ihn gefunden hatte.
„Was kümmert es dich, wie er heißt?“, sagte Nicolien.
„Ich will es wissen“, sagte Maarten. „Ich bin ein Mann der Wissenschaft.“
„Und ich dachte, du hasst die Wissenschaft wie die Pest?“
„Das tu ich auch, aber nicht
diese
Wissenschaft.“
„Das macht doch keinen Unterschied?“
Frans hatte die Tasche geöffnet und drehte eine Zigarette. „Oder darf man draußen nicht rauchen?“, fragte er, sich plötzlich besinnend. Er blickte sie unsicher an. „Eigentlich darf man das natürlich nicht.“
„Man darf alles“, entschied Maarten. Er legte sich hin. Es war ganz still. In der Stille hörte er die Bienen und Fliegen summen. Er lauschte. „Da vorne sitzen oft Löffelreiher“, sagte er. Nicolien und Frans hatten sich auch hingelegt. Eine Weile wurde nicht gesprochen. Im Ringkanal hinter ihnen quakten Enten. In der Ferne rumpelte ein Zug vorbei. „Was hört ihr jetzt?“, fragte er.
„Ich höre einen Zug“, sagte Nicolien.
„Und was noch?“ – weit entfernt bellte ein Hund – „Ich höre einen Hund.“
Es war erneut still. Sie horchten nun alle drei.
„Ich höre Luftbläschen im Wasser“, sagte Frans.
Maarten versuchte sie auch zu hören. Es kostete ihn Mühe. „Komisch, wenn man in die Ferne lauscht, kann man nichts in der Nähe hören. Das sagt natürlich etwas über den Charakter eines Menschen.“
„In der Ferne ist die Gefahr“, sagte Frans. „Ist es nicht so?“ Er richtete sich auf seinem Ellbogen auf und sah in ihre Richtung. „Ich habe mich jetzt doch für die Psychiatrie in Wolfheze angemeldet“, sagte er verlegen. „Das wollte ich schon die ganze Zeit erzählen.“
Maarten setzte sich auf. „Warum?“
„Wenn man krank ist, müssen sie einen doch heilen“, sagte Frans scheu. „Findest du nicht auch?“
*
Aus Maarten Konings Tagebuch:
Widerstand gegen die Angst: Das Ticken des Weckers. Das Rascheln meines Briefes in N.s Händen. Während sie liest, schiebt sie das Papiernervös hin und her. „Er ist schön“, sagt sie. „Soll ich ihn zusammenfalten?“ – „Ja“, antworte ich. – Sie raschelt erneut damit herum, trödelt ein wenig und fängt an, ihn zusammenzufalten. „Er ist vielleicht etwas undeutlich geschrieben“, sagt sie. „Nein, aber es geht schon.“ – „Ja“, sage ich. – Die Antwort befriedigt sie nicht. „Denkst du, dass Henriette es lesen kann, Maarten?“, fragt sie, etwas lauter. Ihre Stimme hat etwas Gebieterisches. „Es ist so dünn.“ – „Ach, das wird schon gehen“, sage ich murmelnd. – Sie faltet den Brief weiter zusammen und greift zur Zeitung. Ich sehe ihr Spiegelbild in dem Glas neben mir. „Na so was“, sagt sie. Sie bricht abrupt ab, als sie sieht, dass ich schreibe. „Entschuldige.“ Sie steht auf, geht kurz durchs Zimmer, betrachtet sich selbst in der Spiegelung der Fensterscheibe und setzt sich wieder. Sie legt die Zeitung auf die Knie und liest, nun mit der Hand an ihrem Kopf. Sie reibt sich eine Augenbraue. Oben pfeift ein Kessel. Sie legt die Zeitung wieder weg, auf den Boden, setzt sich woanders hin, spielt an ihrer Armbanduhr herum, nimmt eine Zigarette und legt sich die Zeitung wieder auf den Schoß. Sie hält die Zigarette mit dem Mundstück an die Stirn, nimmt einen Zug, hält sie neben ihre Wange und führt die Hand wieder zu ihrem Kopf. Während sie liest, ist ihre Hand fortwährend beschäftigt. Ein Moped fährt vorbei. Der Tisch knarrt, während ich schreibe. Die Schale mit Obst wackelt hin und her. Es ist unmöglich, alles aufzuschreiben. Sie bewegt sich so oft, dass es anfängt, mich zu irritieren, jetzt, da ich versuche, alles festzuhalten. Wieder fährt ein Moped vorbei. Zwei Autos. Die Stille, die hier doch ziemlich groß ist, lässt sich nur beschreiben, wenn man allein im Zimmer ist, und dann auch nur, wenn es ein stilles Zimmer ist. Ein Kind fährt auf Rollschuhen am Fenster vorbei. „Kannst du noch etwas sehen?“, fragt sie. Ich stehe auf und verrücke, ohne dabei etwas zu denken, die Lampe, um
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