Das Büro
rosa bleibt.“
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Liebe Nicolien, lieber Maarten,
ich bin jetzt in Wolfheeze. Gestern, am Mittwoch, bin ich hierhergebracht worden. Der Krankenwagen fuhr 120 km/h, so dass ich den Eindruck bekam, doch schon ein ernster Fall zu sein. Unterwegs habe ich anhalten lassen, um Tabak zu kaufen. Der Zigarrenhändler, der das Auto nicht gesehen hatte, wünschte mir einen angenehmen Urlaub und schönes Wetter, weil ich einen so großen Vorrat kaufte.
Im Bad gewesen. Ich muss ungeheuer aufpassen, was ich schreibe, denn die Briefe werden gelesen. Ich fühle mich also ausgezeichnet. Herrlich finde ich es hier. Über die Leute lässt sich nichts Schlechtes sagen, ich würde es nicht wagen. Was bilde ich mir ein, ich habe hier doch selbst auch ein Bett. Keine Klagen. Noch herrlicher scheint es mir, bald wieder heil und gesund die freie Welt zu betreten. Und ich werde an der Förderung meiner Heilung mitarbeiten. Ich bin also ganz und gar offenherzig gegenüber den Pflegern.
Pfeil-und-Bogen-Schießen ist hier nicht drin. Wohl aber neue Kleidung. Ich habe jetzt piekfeine Klamotten. Keine Anstaltskleidung, wurde mir gleich gesagt, als ich hier hereinkam, sondern ein Anzug usw. Hier nichts von dem Lärm wie in den Kneipen und Cafés, keine Straßenbahnen und Autos, sondern Ruhe. Manchmal ist es hier auch nett, sowie im Augenblick. Mit sechsundzwanzig Mann trinken wir hier Kaffee im Erholungsraum, ungefähr 8 mal 8 Schritte. Das Radio läuft. Es gibt mehrere Tische. Wenn sich mein Zustand bessert, werde ich „nach vorn“ befördert. Dort sind es 60 Leute. Und schließlich dann die freie Welt (ich weiß nicht, wie viele Millionen Menschen es gibt, und dann rede ich noch nicht mal von lokalen Konzentrationen).
Hurra, bald darf ich in die Werkstatt hier nebenan. Manche Leute mit zwei linken Händen so wie ich oder einem Hang zum Philosophieren scheinen Wäscheklammern zu machen. Doch man lernt, mit den Leuten umzugehen und sich einer Sache anzupassen. Das ist wichtiger als die Arbeit selbst. Soeben wird das Lied „Tulpen aus Amsterdam“ angestimmt. Doch dem Radio ist nichts gewachsen.
Habe ich schon genug gesagt?
Die Geranie hier vor mir auf dem Deckchen mitten auf dem runden Tisch berührt mich ein wenig. Dieselbe Zensur darf ruhig lesen, dass ich schon ein Jahr gegen die Psychiatrie kämpfe und auch in Zukunft notfalls an dieser Geranie festhalten werde, die stocksteif ihr Schweigen verteidigt, und dass ich beim Ertragen von Gewalt bis hin zur absoluten Zermürbung – ich rede dummes Zeug – und Anpassung an ich weiß nicht was meine Maßnahmen doch noch zu ergreifen vermag. Ihr seht, ich werde ein wenig trübsinnig. Das kommt daher, dass ich einen Brief schreibe, etwas zu zurückgezogen. Kommt, ich werde die anderen besuchen, die Mitmenschen. Ein Scherz tut einem so gut.
„Komm, wir gehen ins Bett“, sagte soeben der Pfleger. Ich werde die Achterbahn des großen Blutkreislaufs hin zum kleinen beschreiben – geschlossen. Meinen eigenen Schlaf.
Schlaft gut,
mit freundlichen Grüßen
Frans
Ich fand es sehr schön am Sonntag, ganz anders schön als hier natürlich. Noch täglich habe ich die Bilder unseres Spaziergangs vor Augen.
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Weil der Kongress in Belgien eine unverhoffte Gelegenheit bot, auch Vanhamme einen Besuch abzustatten, reisten sie einen Tag früher abund legten einen Zwischenstopp in Antwerpen ein. Im Zug las Beerta in der
Edda
, Maarten las
Vrij Nederland
, Nicolien hatte zwar ein Buch bei sich, da sie sich jedoch in Gegenwart anderer Menschen nicht konzentrieren konnte, las sie nicht. In Antwerpen angekommen, tranken sie zuerst in einem Café gegenüber dem Bahnhof eine Tasse Kaffee. Danach gingen sie die Keyserlei hinunter, aßen einen Happen in einem Lokal auf dem Groenplaats, besuchten kurz das Folkloremuseum, in dem gerade eine Ausstellung mit Milieuzeichnungen zu sehen war, und nahmen dann den Bus in den Außenbezirk, in dem Vanhamme wohnte.
Vanhammes Haus befand sich in einer stillen Straße gegenüber einem kleinen Park. Es stand in einer Reihe ganz unterschiedlicher Häuser, war aus dunklen, violettroten Backsteinen erbaut und hatte einen hohen, angebauten Erker in der Beletage, eine dreistufige Treppe sowie schmale, ins Mauerwerk eingelassene Pfeiler zu beiden Seiten der monumentalen Eingangstür. Beerta klingelte, doch es war nicht zu hören.
Vanhamme öffnete ihnen. „Ah, da sind Sie ja“, sagte er. Er sah Nicolien mit seinen hervorstehenden Augen an. Seit dem letzten Mal, als Maarten
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