Das Büro
hellgrauen Sommeranzug mit weißem Einstecktuch sowie ein hellblaues Hemd, und er kam kerzengerade, mit kleinen, vorsichtigenSchritten, seinen Blick geradeaus gerichtet, auf sie zu. Am Rand des Bürgersteigs blieb er stehen, sah nach links und rechts, ließ ein Auto vorbeifahren und beeilte sich dann, auf die gegenüberliegende Straßenseite zu gelangen. Als sie von der Bank aufstanden, bemerkte er sie. Er ging auf sie zu und nickte steif, mit einem ironisch verzogenen Mund. „T-tag, Nicolien, T-tag, Maarten.“
„Wie haben Sie geschlafen?“, fragte Maarten.
„Ich schlafe immer gut. Wie ist euer Hotel?“
„Wir haben eine eigene Toilette.“
„Eine eigene Toilette habe ich auch, aber das ist doch nichts Besonderes.“
„Für uns schon“, sagte Nicolien und lachte. „Wir haben noch nie eine eigene Toilette gehabt.“
„Außer zu Hause, nehme ich an“, sagte Beerta.
Sie lachten.
„Und habt ihr euch schon entschieden, wo wir hingehen?“, fragte Beerta.
„Wir wollten zu den Marollen“, sagte Maarten.
„Zu den Marollen, ins Arbeiterviertel?“, wiederholte Beerta überrascht und hob die Augenbrauen. „Warum zu den Marollen?“
„Das finden wir interessant.“
„Ihr wisst doch wohl, dass das ein Armenviertel ist?“
„Ja, gerade darum.“
„Ich finde das interessant, so ein Armenviertel“, sagte Nicolien.
Beerta sah sie erstaunt an. „So etwas habe ich ja noch nie gehört. Ein Armenviertel interessant! Ich finde es einzig und allein gruselig. Ich hätte erwartet, dass ihr vorschlagen würdet, zur St.-Gudule-Kathedrale zu gehen. Wenn man in Brüssel ist, geht man doch in die St. Gudule?“
„Die St. Gudule habe ich schon einmal gesehen“, sagte Maarten. „Sie hat mich überhaupt nicht beeindruckt.“
„Ich hoffe, dass das ein Scherz war“, sagte Beerta steif.
Maarten lachte. „Jedenfalls möchte ich jetzt am liebsten in die Marollen.“
„Nun denn, auf deine Verantwortung“, gab Beerta nach.
Sie folgten einem Boulevard in Richtung Zentrum. Der Verkehr nahm allmählich zu. Auf dem Grote Markt standen bereits ein paar Busse, und es bildeten sich Grüppchen von Touristen beim Rathaus und vor den Gildehäusern.
„Wenn ich in Brüssel bin, gehe ich immer zuerst auf den Grote Markt“, sagte Beerta zufrieden, „und dann zur St. Gudule, aber das geht ja heute nicht.“
„Nein“, sagte Maarten, „das geht nicht.“
„Du bist hart zu mir“, fand Beerta, „aber das hier möchte ich doch noch eben sehen.“ Er betrat den Platz, ihnen immer einen Schritt voraus. Vor dem Rathaus blieb er stehen, die Hände hinter seinem Rücken, den Kopf aufgerichtet. „Das ist für mich ein Genuss“, sagte er, während er die Szenerie in sich aufnahm. „Ihr wisst doch, dass der Turm von Jan van Ruysbroeck stammt?“
„Nein“, sagte Maarten.
Beerta sah ihn erstaunt an. „Was hast du eigentlich studiert? Elektrotechnik?“
„Jedenfalls keine Kunstgeschichte.“ Er hatte Mühe, sein Lachen zu unterdrücken.
„Dann erfährst du nun von mir, dass dies eines der schönsten Beispiele für bürgerliche Gotik ist.“
Maarten sah noch einmal hin. „Stimmt.“
„Du bist ein Barbar. Du enttäuscht mich.“ Er wandte sich Nicolien zu. „Hast du es auch nicht gewusst?“
„Nein.“ Sie lachte.
Maarten studierte den Stadtplan, den sie vom Kongressbüro bekommen hatten. „Müssen wir auch noch beim Manneken Pis vorbei?“, fragte er. „Das ist hier ganz in der Nähe.“
„Manneken Pis interessiert mich nicht“, antwortete Beerta prüde.
„Mich auch nicht“, sagte Maarten.
„Dann sind wir wenigstens darüber einer Meinung“, sagte Beerta erleichtert.
Sie verließen den Grote Markt an der Südseite und überquerten die Lombardstraat. Es liefen eine Menge Touristen herum, und hier und da waren auch Geschäfte geöffnet. Maarten fragte sich, ob dies bereitsdie Marollen waren, doch es gab nichts, woran dies zu erkennen gewesen wäre.
„Da ist eine Kirche“, rief Beerta. „Lasst uns die mal eben anschauen.“
Es war eine Kirche mit einem viereckigen, hellgrauen Natursteinturm und einem Schieferdach. Sie überquerten den Boulevard und blieben davor stehen. Durch einen Seiteneingang gingen Leute ein und aus. Beerta holte seine Brille und einen kleinen Stadtführer aus der Innentasche, setzte die Brille auf und begann, das Büchlein zu studieren. „Das muss die Kapellekerk sein. Dann sehe ich die wenigstens auch einmal.“ Er las vor: „Die Kapellekerk weist alle Eigenschaften
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