Das Büro
sehen war. An der Ecke, in dem Zimmer, wo sie gesessen hatten, brannte Licht. „Was für ein Scheißkerl“, sagte er.
„Ich fand es schrecklich“, sagte Nicolien.
„Das war kein netter Mensch“, bestätigte Hendrik.
„Es würde mich nicht wundern, wenn der Kerl im Krieg mit den Nazis kollaboriert hätte“, sagte Maarten.
„Das wäre möglich“, sagte Hendrik.
„Die arme Eule“, sagte Nicolien.
Der Gedanke an die Eule war unerträglich. „Solche Scheißkerle sollten sie erschießen“, sagte Maarten rachsüchtig.
„Ach“, sagte Hendrik, „dann hat man innerhalb kürzester Zeit wieder neue.“
„Aber man wäre sie dann wenigstens für diesen Zeitraum los.“
„Ja, das Interregnum wäre angenehm“, gab Hendrik zu. Er sah auf die Uhr. „Wir sind da doch noch verhältnismäßig lange gewesen.“
„Ich fand es meisterhaft, wie du dem ein Ende gemacht hast“, sagte Maarten. „Ich dachte einen Moment, du würdest eine Schlägerei anfangen.“
„Mir hat es gereicht“, sagte Hendrik einfach.
Sie hatten einen Tisch am Fenster. Hinten im großen, gedämpft beleuchteten Raum saßen noch ein paar Leute. Am Lesetisch saß ein einzelner Mann. Aus der Nähe des Ausschanks erklang leise ein Hornkonzert von Mozart. Während sie beim Abendessen saßen, wurde der Nebel draußen immer dichter. Schließlich waren die Lampen am Eingang und die Laternen an der Straße vor dem Hotel nur noch vage zu erkennen. Es waren keine Autos mehr unterwegs. „Im Radio heißt es, dass wir keine zwanzig Meter Sicht haben“, sagte der Wirt, als er den Kaffee brachte, „und der Nebel soll noch dichter werden.“
„Ihr bleibt besser hier“, sagte Hendrik.
„Und was ist mit dir?“, fragte Maarten.
„Ich habe Annechien versprochen, nach Hause zu kommen.“
„Bei diesem Nebel?“
„Annechien mag es nicht, wenn sie allein ist, jetzt, wo sie das Kind erwartet.“
„Dann fahren wir natürlich mit“, beschloss Maarten.
Draußen war es unwahrscheinlich still, so still, dass sie, als sie beim Auto standen, den leisen Aufprall der Nebeltröpfchen auf das Autodach hören konnten. Hendrik kurbelte das Fenster herunter. „Wenn es euch stört, könnt ihr es ruhig sagen“, sagte er zu Nicolien. Es war kein Verkehr. Behutsam, eingeschlossen durch den dichten Nebel, fuhren sie in ihrem kleinen, von den Lämpchen des Armaturenbretts vage erleuchteten Gehäuse durch ein unbekanntes Land. Hendrik stieg ein paarmal aus, um einen Wegweiser zu studieren, einmal, um zu sehen, ob sie sich überhaupt noch auf der rechten Straßenseitebefanden. Sie sahen, wie er sich dicht vor dem Auto bückte und den Boden betrachtete. „Wir sind links gefahren“, sagte er, als er wieder eingestiegen war, und lenkte den Wagen nach rechts.
„Woher weißt du das?“, fragte Maarten.
„Ich sehe das am Mittelstreifen.“
Und zum dritten Mal an diesem Tag spürte Maarten ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie seit Annechien nicht mehr gekannt hatten.
*
„Lutscht du jetzt schon Pfefferminzbonbons?“, fragte Beerta erstaunt. „Darauf hätte ich so früh am Morgen noch keine Lust.“
„Ich auch nicht“, sagte Maarten, „aber wir haben gestern Abend Zwiebeln gegessen, und jetzt fühlt sich mein Mund wie ein trockener Schwamm an.“
„Ich mag keine Zwiebeln“, sagte Beerta spröde.
„Dabei habe ich gedacht, dass Sie starke Sympathien für Deutschland hätten.“
„Ich habe zwar Sympathien für Deutschland, aber nicht für deutsche Frikadellen, falls du das meinst.“
Maarten lachte. „Und auch nicht für Hackfleischsoße?“
„Auch nicht für Hackfleischsoße.“
„Schade.“
„Meine Sympathien für Deutschland gelten übrigens dem Deutschland Rilkes und Stefan Georges, und ich bin mir ziemlich sicher, dass die auch nie Zwiebeln gegessen haben. Und falls das doch der Fall wäre, würden sie mich sehr enttäuschen.“ Er stand auf. Auf dem Weg zur Tür blieb er hinter Maarten stehen. „Womit bist du gerade beschäftigst?“
„Mit dem Kommentar zu Karte neunzehn.“
„Und wann erscheint jetzt der zweite Band?“
„Das lässt sich noch nicht sagen.“
„Aber die Sache kommt in Schwung?“
„Wenn Sie es so nennen wollen.“
Beerta wandte sich ab und verließ den Raum. Ein paar Sekundenspäter öffnete sich die Tür und Hendrik trat ein. Er blieb an Maartens Schreibtisch stehen und sah ihm mit verschlafenen Augen bei der Arbeit zu. Maarten hob den Kopf und wartete.
„Ich habe hier die Zusammenfassungen der
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