Das Büro
nachschauen“, versprach er.
Weitere Fragen gab es nicht.
Herr Zwiers gehörte zu den zehn Besten des Heims, denn eine Viertelstunde später traf er ihn zusammen mit noch einem Mann sowie acht Frauen im Erker. Er teilte die Fragebogen aus, und Frau de Jong gab jedem einen Bleistift.
„Vielleicht können sie die Fragen zuerst kurz durchlesen, bevor wir darüber reden“, schlug Maarten vor.
„Wenn Sie sich den Fragebogen nun erst einmal durchlesen“, sagte Frau de Jong zu den Bewohnern, „anschließend sagt Herr Koning Ihnen dann, was Sie tun sollen.“
„Ich kann meine Brille nicht finden“, sagte eine kleine Frau, während sie nervös in ihrer Tasche wühlte.
„Die haben Sie ja auf“, sagte Frau de Jong lachend.
Die Frau wurde rot. „Ach ja, wie kann ich bloß so dumm sein.“
In der Gewissheit, dass dies alles vollkommen sinnlos war, und mit keinem anderen Bedürfnis, als weit weg zu sein, sah Maarten an ihnen vorbei nach draußen. Der Erker bot Ausblick auf einen kahlen Streifen Erde, der von einer niedrigen Hecke begrenzt wurde. Dahinter lag eine Verkehrsstraße. Es regnete. Der Regen fiel vor den Scheinwerfern der vorbeifahrenden Autos schräg nach unten. Zwiers saß neben ihm. Er hielt den Fragebogen, den Maarten ihm gegeben hatte, weit von sich weg und las angespannt. Seine Hände zitterten ein wenig, große, rote Bauernhände mit breiten, flachen Daumennägeln. Die Frau neben ihm bewegte die Lippen, wobei sie mit den Fingern den Worten folgte. An der anderen Seite des Tisches hatten zwei Frauen den Fragebogen zur Seite geschoben und ihre Stricksachen hervorgeholt. Er schämte sich für seine Anwesenheit und empfand sich als Parasit, der sein Geld mit klugen Sprüchen verdiente, die keinenvon ihnen interessierten, die ihnen aber als etwas ganz Besonderes aufgetischt wurden.
„Sollen wir dann mal anfangen?“, fragte Frau de Jong.
Während er erklärte, worum es ging – dass sie alle nur aufschreiben sollten, was sie gehört, nicht aber, was sie gelesen hatten, und sie dabei nicht ausführlich genug sein könnten –, kamen zwei Frauen miteinander ins Gespräch. Sie schwiegen kurz, als Frau de Jong leise zischte, doch nicht lange, und er fand eigentlich, dass sie Recht hatten, auch wenn es störte. „Vielleicht können wir am besten mal ein Beispiel nehmen“, sagte er. „So wird dort etwa gefragt, was mit der Nachgeburt des Pferdes passierte. Hat einer von Ihnen schon mal gesehen, dass man die in einen Baum hängte?“
„Ja, ich“, sagte eine der Frauen zu seiner Überraschung. Es war die kleine Frau mit der Brille. Sie hatte ein Gesicht voller Runzeln, wie ein schrumpliger Apfel.
„Ach, red doch keinen Unsinn“, sagte die Frau neben ihr.
„Doch, natürlich, bei Jan Naarding.“
„Ach, was redest du da“, sagte die andere kratzbürstig. „So zurückgeblieben sind wir nicht.“
„Wo war das denn?“, fragte Maarten interessiert. „Ich meine, in welchem Dorf?“
„In Zuidvelde“, antwortete die erste schüchtern, „bei Norg.“
„Und Sie?“, fragte Maarten die andere. „Wo kommen Sie her?“
„Auch aus Zuidvelde“, antwortete die Frau widerstrebend. „Wir sind ja Schwestern.“ Sie war fast einen Kopf größer und hatte im Gegensatz zu ihrer Schwester ein übellauniges, beleidigtes Gesicht.
„Bei uns hieß das nicht ‚Nachgeburt‘, sondern ‚Haom‘“, sagte der zweite Mann unerwartet. Es war ein kleiner Mann mit Mütze und krummem Rücken, einen Zigarrenstummel zwischen den Lippen.
„Haom?“, wiederholte Maarten.
Der Mann schüttelte den Kopf. „Haom!“
„Wie schreibt sich das denn?“
„Das kann man nicht schreiben. Das ist Drenther Dialekt.“
Er verstand das Problem. „Und was hat man bei Ihnen damit gemacht?“
„Das haben sie in den Baum gehängt.“ Als ob sich das von selbst verstünde.
„Warum haben sie das gemacht?“
„Damit das Fohlen später den Kopf hochhielt.“
„Und Sie haben das auch gemacht?“
„Alle haben das gemacht.“
„Nein, bei uns hat man das nicht gemacht“, kam die zweite Frau erneut streitsüchtig dazwischen. „So rückständig waren wir ja nicht.“
Sogar die strickenden Frauen folgten nun dem Gespräch. Je mehr Leute sich daran beteiligten, desto wirrer und unwirklicher wurde es, so dass er dem Himmel dankte, als um fünf die Essensglocke geläutet wurde. Die freundliche Einladung, doch einen Happen mitzuessen, schlug er aus. Im Übrigen konnte er vor lauter Kopfschmerzen nicht mehr aus den
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