Das Büro
nett. Wenigstens ist es einer, der seine Arbeit schrecklich findet.“
„Ja“, er dachte nach, „aber er hat auch etwas Unreines. Und ob ich es nun so toll finde, dass Leute vom Büro mich auch noch zu Hause besuchen, weiß ich nicht.“
„Na ja, ich fand ihn ganz nett“, wiederholte sie. „Lieber so einen als jemanden, der seine Arbeit interessant findet!“
*
Er konnte nicht schlafen. Die Aussicht bedrückte ihn, sein ganzes weiteres Leben zwischen den Leuten vom Büro eingeschlossen zu sein, die allmählich auch noch in sein Haus eindringen würden, so dass es nirgendwo mehr einen Platz gäbe, an dem er sicher war. Er drehte sich auf die andere Seite, um den Gedanken loszuwerden, doch sein Körper war so angespannt, dass er keine fünf Minuten still liegenbleibenkonnte. Beerta, Fräulein Haan, van Ieperen, Wiegel, Balk, Slofstra, de Bruin, Meierink, Nijhuis, Veen – er sah sie der Reihe nach vor sich und hörte sie reden, so klar, dass es schien, als wären sie bei ihm im Zimmer. Er öffnete die Augen. Im Zimmer hing das gesiebte Licht der Straßenlaterne vor dem Haus. Hinter sich hörte er die ruhigen Atemzüge Nicoliens. Er suchte Rückhalt bei den vertrauten Gegenständen, die er im Zimmer um sich hatte, doch die Gedanken an das Büro wirkten erstickend. Als sein Blick rastlos weitersuchte, sah er plötzlich auf dem Balken zwischen Haustür und Oberlicht eine Ratte. Er richtete sich sofort auf. Die Bewegung weckte Nicolien. „Da läuft eine Ratte“, sagte er.
Sie wurde langsam wach. „Was?“, fragte sie schläfrig.
„Da läuft eine Ratte! Über der Abtrennung!“ Er stieg aus dem Bett.
Sie öffnete die Augen. „Das ist eine Maus“, und schloss sie wieder, um weiterzuschlafen.
„Es ist eine Ratte!“
„Dann ist es eine ganz kleine Ratte.“
Das Tier lief oben auf der Abtrennung entlang und verschwand dann auf der anderen Seite des Vorhangs.
„Außerdem ist Tierschutztag“, sagte sie.
Er knipste das Licht auf seinem Schreibtisch an. Dass auch noch Ratten in sein Haus eindrangen, war mehr, als er momentan ertragen konnte.
„Was tust du da?“, fragte sie.
„Sie muss raus!“
„Reg dich nicht so auf! Ich dachte, dass nur Frauen sich so anstellen. Dreh wenigstens die Lampe aus meinem Gesicht.“
Er drehte die Lampe und schaute hinter den Vorhang. Dann öffnete er mit einer raschen Bewegung die Haustür.
„Du bist wie die Frau von Carmiggelt“, sagte sie hinter ihm.
Er stand im Pyjama vor der offenen Tür und sah auf die Gracht. Es war kalt.
„Du erkältest dich noch“, sagte sie. „Hast du wirklich geglaubt, dass das Tier durch die Tür hinausspaziert? Das sitzt längst wieder in irgendeinem Loch.“
Er hörte, wie sich jemand dem Haus näherte, und schloss die Tür. Seine Armbanduhr zeigte halb zwei. „Es ist verdammt noch mal schon halb zwei. Ich habe die ganze Nacht noch kein Auge zugemacht.“
„Und jetzt hast du mich auch aufgeweckt.“
„Ich musste dir doch sagen, dass da eine Ratte war? Sie saß einen Meter von unserem Bett entfernt!“
„Das kann dir doch egal sein.“
„Das ist mir überhaupt nicht egal. Sie muss raus!“
„Jetzt mach mal das Licht aus und geh schlafen.“
„Ich kann nicht schlafen.“
„Reg dich nicht so auf. Was hast du? Es sieht fast so aus, als wärst du hysterisch geworden.“
„Ich kann nicht schlafen, wenn so ein Viech in mein Haus eindringt.“
„So ein Tier muss doch auch ein Zuhause haben.“
„Aber nicht hier!“
„Stell dich nicht so an. Denk lieber an das Tier! So ein Vergnügen ist es auch nicht, überall weggejagt zu werden.“
Er schaltete das Licht wieder aus und kroch zurück ins Bett. „Und doch will ich es nicht in meinem Haus haben“, sagte er schlecht gelaunt. „Dann legen wir uns eben eine Katze zu.“
„Ja, eine Katze!“, sagte sie entzückt. „Das wäre schön. Aber nicht wegen der Ratten, denn das fände ich traurig.“
Er schwieg. In der Stille hörte er die Ratte in der Ecke herumkratzen, trippeln und ein bisschen nagen. Kurz darauf lief sie über die Vorhangschiene. „Jetzt läuft sie über den Vorhang.“ Er richtete sich auf und blickte auf die Stelle, wo er sie gehört hatte.
„Jetzt schlaf endlich! Du machst mich hellwach.“
Die Ratte fiel mit einem Plumps auf den Boden.
„Hörst du sie?“
„Ja, ich höre sie. Lass sie jetzt mal. Sie tut dir schon nichts.“
„Davor habe ich keine Angst. Ich will sie nur nicht in meinem Haus haben. Ich will niemanden in meinem Haus
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