Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
getroffen. Ich meine, Professor Cohen. Mir kam es vor, als würde er es irgendwie persönlich nehmen. Ja, persönlich ist das richtige Wort.«
Milt würzte die Konversation mit weiteren Fragen, die er sich im Vorfeld zurechtgelegt hatte, um kein unangemessenes Interesse an der Verbindung zum Weißen Haus zu zeigen. Als Inga aber anfing, immer wieder zur Uhr zu sehen, fragte er sie, ob sie zu einer ihrer Veranstaltungen müsse.
»In zehn Minuten«, bestätigte sie.
»Okay, Inga. Dann will ich Sie nicht länger aufhalten.« Er stand auf. Ergriff seine Aktentasche. »Nur eine letzte Sache. War er über sein Fachgebiet hinaus noch an anderen Dingen interessiert?«
»Oh ja«, antwortete sie. »Er war eine Art Universalgenie und an einfach allem interessiert. Politik, Naturwissenschaft, Philosophie.«
»Dann war er sicher begeistert über die Mondlandungen?«
»Damals habe ich ihn noch nicht gekannt. Aber es würde mich wundern, wäre er es nicht gewesen.«
Der Professor, der immer noch an der GWU war, war ein trübseliger, überakribischer Bursche mit einem buschigen Schnauzbart und einem Hang zum Blinzeln. Milt lud ihn zum Mittagessen in ein kleines Restaurant in der Nähe des Campus ein. Der Name des Professors war Leonard Butcher, und er musste nicht erst ermutigt werden, um lang und breit über die alten Tage zu schwadronieren. Vor allem erging er sich darin zu betonen, wie unfähig alle anderen auf dem Planeten waren. Menschen, so sagte er, seien zu dumm, um die zunehmende Technisierung zu überleben. »Wir hätten uns schon beinahe mit den Atomwaffen umgebracht«, sagte er. »Das haben wir überstanden. Aber irgendwas wird uns umbringen, das ist nur eine Frage der Zeit.« An dieser Stelle brach er ab und bat Milt noch mal nach dem Namen, ehe er zur nächsten Schmährede überging.
Das Problem war, dass Butcher sich kaum an Jack Cohen erinnerte. Einmal hatte er Cohen seine Hilfe bei einer Abhandlung angeboten, an der dieser gearbeitet hatte, eine wissenschaftliche Erörterung der Entwicklung der griechischen Mythologie. Aber Cohen hatte darauf bestanden, seinen eigenen Weg zu suchen, und folglich war die Abhandlung nie veröffentlicht worden. Natürlich. »Er war älter als ich. Darum meinte er, ich könnte ihm gar nicht helfen.«
Außerdem hatte Butcher Cohen didaktische Ratschläge gegeben. Verprellen Sie die Studenten nicht. Predigen Sie nicht. Das ist alles nur Showbusiness. Das wiederum überraschte Milt. Denn Butcher wusste offenbar, wovon er sprach. Ob er seine eigenen Worte in der Praxis berücksichtigte, war damit aber noch lange nicht gesagt.
Butcher war an Cohen nichts Außergewöhnliches aufgefallen, gesellschaftlichen Umgang aber hatte er mit ihm nicht gepflegt. »Professor Cohen hat es sich nicht nehmen lassen, mich zu bestärken. Hat mir gesagt, ich solle meine Spuren in der Welt hinterlassen.« Mit einem zufriedenen Lächeln lehnte Butcher sich zurück. Er hatte, so deutete die Haltung an, ganz bestimmt Spuren hinterlassen.
»Warum hat Cohen die Universität verlassen?«
Butcher zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich nehme an, er hat irgendwo eine bessere Position gefunden. Warum sonst hört jemand auf?« Er winkte die Kellnerin herbei und bestellte Nachtisch.
Milt wollte ihm gerade sagen, er müsse nun los, er müsse einen Flieger erreichen, als Butcher ihm zuvorkam: »Was haben Sie mit Frank Markaisi zu schaffen, Milt? Der Mann hat auf seinem Gebiet einen ziemlich bekannten Namen.«
Ach ja? Welch bewundernswerte Leistung für den fiktiven Professor Markaisi! »Ich bin ein unabhängiger Auftragnehmer. Er heuert mich von Zeit zu Zeit für Recherchen an.«
»Tja, dann sagen Sie ihm, ich würde ihm gern helfen, falls er noch irgendwelche weiteren Informationen benötigt.« Er zog seine Brieftasche hervor und nahm eine Karte heraus. Milt nahm sie, bezahlte die Rechnung und wünschte seinem Gegenüber einen guten Abend.
Am selben Abend noch erstattete Milt Ray Chambers Bericht.
»Also haben Sie nichts.«
»Abgesehen davon, dass Cohen bestürzt war, als Nixons Regierung auseinandergefallen ist.«
»Warum?«
»Ich schätze, weil Ehrlichman und er gute Freunde waren.«
»Und das ist alles?«
»Es gibt noch ein paar andere Leute, mit denen er in der GWU zusammengearbeitet hat. Aber die sind übers ganze Land verstreut. Soll ich dranbleiben?«
Margaret Haeffner lebte mit Sohn und Schwiegertochter in Downers Grove außerhalb von Chicago. Sie konnte auf eine lange Laufbahn in der
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