Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
erstarrte. »Al Koestler?« Sie stierte Jerry aus dem Bildschirm entgegen. »Ich halte das für keine gute Idee, Jerry. Dabei können Sie nicht gewinnen.«
»Sie wissen, was passiert wäre, wenn ich mich geweigert hätte.«
»Ja, ich weiß.« Sie senkte den Blick und notierte sich etwas. »Okay, machen Sie’s!« Ihre Miene wurde milder. »Sie schaffen das schon. Koestler ist nur ein Schwätzer.«
Schadensbegrenzung. Mehr kann man nicht tun.
Gesendet werden sollte aus Jerrys Wohnung. Das war eine gute Entscheidung. Der Tag war lang gewesen, und Jerry musste raus aus seinem Büro. Er aß in seinem Lieblingsrestaurant, Dixie Crossroads Seafood. Es war nicht weit von der Wohnung in Titusville. Von dem exzellenten Geschmack des Essens nahm Jerry leider kaum etwas wahr.
Das Fernsehteam traf kurz vor sieben ein und baute seine Gerätschaften auf. Mary rief an, um ihn zu ermutigen. »Sie schaffen das, Jerry«, meinte sie. »Bleiben Sie einfach locker!«
Ein Maskenbildner puderte seine Wangen und seine Nase. Dann erklärte ihm eine junge Frau die Lämpchen an den Kameras und dass er stets mit dem Objektiv reden solle. Das alles wusste er natürlich; jeder wusste das, aber er ließ sie gewähren. »Sie werden nicht vor dem zweiten Beitrag auf Sendung sein«, klärte sie ihn auf. Ihr Name war Shirley. Im Gegensatz zu Koestler machte sie einen recht vernünftigen Eindruck, und Jerry wäre froh gewesen, hätte sie ihn interviewt.
Zwischen den Bäumen war ein leuchtend heller Mond zu sehen. Während Jerry zu ihm hinausstarrte, holten die Fernsehleute einen Lehnsessel vom Fenster und stellten ihn neben einen Tisch. Dann bauten sie eine Kamera so auf, dass der Schreibtisch den Hintergrund dominierte. Als es auf acht Uhr zuging, bat ein junger Mann, anscheinend der Regisseur, Jerry, er möge sich in den Sessel setzen. Jerry folgte der Aufforderung.
Schon früher war er in Interview-Shows aufgetreten, in den Jahren, in denen er in der Wahlkampfleitung gearbeitet hatte. Aber seine Auftritte hatten nicht auf diesem Niveau stattgefunden, nicht in einer Kabelfernsehsendung, die USA-weit ausgestrahlt werden sollte. Und niemals hatte er einem großmäuligen Gastgeber entgegentreten müssen, dessen Hauptanliegen es war, seine Gäste möglichst dumm dastehen zu lassen.
Dann war es so weit. Shirley schaltete den Monitor ein, und Jerry schaute sich den Vorspann von Koestler Country an. In einem Studio, dessen Wände von Bücherregalen eingenommen wurde, kam ein entspannter Koestler ins Bild. Er war in den Fünfzigern und trug ein Lächeln zur Schau, das andeutete, der Rest der Welt sei aus der Spur gelaufen, aber er würde alles schon wieder in Ordnung bringen. Er hatte dichtes rotes Haar und war stets leger gekleidet. An diesem Abend trug er einen hellblauen Pullover und ein azurblaues Sakko. Als die Kamera zu ihm schwenkte, blätterte er in einem Bündel Notizen, und aus einem Piano erklang die schwungvolle Titelmelodie der Sendung. Nun blickte Koestler auf, als wäre ihm die Anwesenheit seines Publikums ganz plötzlich bewusst geworden. »Hallo, Mr und Ms Amerika«, sagte er. »Willkommen bei Koestler Country.« Er lächelte und legte seine Papiere auf einem Beistelltisch ab. »Heute Abend werden wir uns gemeinsam ansehen, wer wirklich die Kontrolle über die Umweltschutzmaßnahmen in den Vereinigten Staaten hat; warum ein ehemaliger Astronaut zur Space Coast reist, um eine Auszeichnung für seine gemeinnützige Tätigkeit in Empfang zu nehmen, die er prompt wieder zurückgibt; ob wir auf dem richtigen Weg sind, wenn wir unsere Militär- und Marinebasen überall auf der Welt schließen und, schließlich, ob unsere Kinder durch die stetigen Fortschritte auf technischem Gebiet die Fähigkeit einbüßen, sich miteinander zu unterhalten. Unser erster Gast an diesem Abend ist Eliot Kramer. Eliot ist Volkswirt und war für die letzte Regierung tätig, unter anderem als Mitglied des Gremiums für Korruptionsprävention.«
Kramer trat mit einem gekünstelten Lächeln auf den Lippen hinter einem dunklen Vorhang vor. »Schön, Sie wiederzusehen, AI«, sagte er, als Koestler sich erhob, um ihm die Hand zu schütteln. Danach nahmen beide Platz.
»Beim letzten Mal, Eliot«, leitete der Gastgeber seine erste Frage ein, »haben wir darüber gesprochen, bis zu welchem Grad die Konzerne auf die Bemühungen Einfluss nehmen, etwas für die Umwelt zu tun. Hat sich seitdem daran etwas geändert?«
»Das hat es, AI. Es ist schlimmer geworden. Und
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