Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
eine Szene aus dem Buch.«
»Ich habe es nicht gelesen, aber ich glaube Ihnen das gern«, erwiderte Jerry. »Trotzdem können wir es nicht verwenden.«
»Warum nicht?«, fragte Mulhauser erneut.
»Die meisten Zwischenhändler werden es nicht in ihr Programm nehmen, weil die meisten Läden es nicht ins Regal stellen werden.«
»Und Sie lassen sich von einem bigotten Haufen Mittelklasse-Kirchgänger sagen, was Sie zu tun haben?«, herrschte ihn Mulhauser an.
»Diese bigotten Mittelklasse-Kirchgänger stellen ungefähr achtzig Prozent der Bevölkerung«, entgegnete Jerry. »Unser Geschäft ist es, Bücher zu verkaufen, und wir können keine Bücher verkaufen, die die Läden uns nicht abnehmen.«
»Publizieren Sie doch E-Books und umgehen die Läden!«
Jerry hatte Künstler langsam satt. »Gute Idee! Dann sparen wir auch gleich die Kosten für den Druck, den Versand und die Coverbilder.«
»WAS?«
»Mulhauser, bringen Sie das Gemälde in einer Ausstellung für zeitgenössische Kunst unter und verkaufen Sie es gegen Gebot, oder finden Sie einen Verleger, der noch nicht weiß, dass nackte Damen mit großer Oberweite es nicht in die Regale der Buchhändler schaffen! Aber ich brauche ein akzeptables Coverbild, und ich werde keine Zahlung veranlassen, bis ich es bekommen habe!«
»Ich denke darüber nach«, murmelte Mulhauser, machte kehrt, ging zur Tür und drehte sich noch einmal zu Jerry um. »Ich mag Sie nicht besonders.«
»Ich bin am Boden zerstört«, konterte Jerry.
»Denken Sie dran: Ich werde noch lange hier sein, wenn Sie längst wieder weg sind.«
»Aus Wisconsin?«, fragte Jerry, als Mulhauser aus seinem Büro marschierte. »Das würde mich nicht im Mindesten überraschen.«
Am Montag rief die Druckerei an, um Jerry mitzuteilen, dass die Druckstraße, die für Jerrys Titel reserviert sei, kaputt sei, was bedeute, dass man erst drei Tage später liefern könne. Jerry musste die Spedition benachrichtigen, die eine Gebühr für die kurzfristige Auftragsstornierung verlangte und darüber hinaus noch fünfzehn Prozent Aufschlag gegenüber dem normalen Preis, wenn sie am Donnerstag beinahe genauso kurzfristig Lastwagen bereitstellen sollte. Einer der Zwischenhändler erklärte ihm daraufhin, die Science-Fiction- und Liebesromane sowie die Politiksachbücher würden vermutlich mit zwei oder drei Wochen Verspätung im Buchhandel eintreffen, obwohl sie lediglich drei Tage verspätet in seinem Lager landen sollten. Aber sollte Press of the Dells die Bücher unbedingt früher auf dem Markt haben wollen, dann, da sei er sicher, ließ sich da bestimmt etwas arrangieren. Das Gespräch fand am Telefon statt. Aber Jerry glaubte beinahe zu hören, wie der Zwischenhändler fordernd die Hand bis nach Wisconsin ausstreckte.
Am nächsten Tag aß Jerry in einem Sandwichladen zu Mittag (der, das musste er zugeben, für den halben Preis die doppelte Menge dessen servierte, was Imbisse dieser Art in Florida zu bieten hatten). Da kam Sarah McConnell, eine der Redakteurinnen, in denselben Laden und ließ sich ihm gegenüber nieder.
»Es macht Ihnen doch nichts aus?«, fragte sie.
»Überhaupt nicht.«
»Ich hatte bisher kaum Gelegenheit, Sie kennenzulernen«, fuhr sie fort. »Wie gefällt es Ihnen denn bei uns, nachdem Sie früher Tag für Tag im Fernsehen aufgetreten sind und mit den Reichen und Berühmten auf Du und Du waren?«
»NASA-Wissenschaftler sind weder reich noch berühmt«, entgegnete er lächelnd. »Und was den Job betrifft, ich gewöhne mich allmählich daran.«
»Gut. Ich weiß nicht, wie Sie diese Science-Fiction-Leute ertragen können. Die sind alle verrückt. Und die Krimiautoren … Autorinnen wollen immer schön saubere, bequeme, kuschelige Morde, während man sich des Gefühls kaum erwehren kann, dass Autoren es wirklich genießen, detaillierte Beschreibungen von Enthauptungen anzufertigen.«
»Gibt es überhaupt geistig gesunde Autoren?«, fragte Jerry mit einem Lächeln.
»Meine Autoren sind es«, gab McConnell zurück.
»Sie machen die Allgemeine Reihe und Liebesromane, richtig?«
»Allgemeine Reihe und paranormale Liebesgeschichten«, korrigierte sie. »Einfach Liebesromane sind, na ja, passe.«
»Im Gegensatz zu Frauen, die sich in Werwölfe und Zombies verlieben?«
»Ich spreche über meine Autoren, nicht über die Themen, die ihre Leser sich wünschen.«
»Okay, ich erkenne den Unterschied.«
»Und meine Autoren sind absolut normale Menschen. Naja, soweit es Autoren eben möglich
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