Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
sagte er: »Wollen Sie, dass ich Ihr nächstes Buch überarbeite?«
»Nein!«
»Was dann?«
»Ich will, dass Sie dafür sorgen, dass Harley Lipton gefeuert wird!«, schrie sie.
»Nur, weil er keine Vampir-Romane mag?«, fragte er in ruhigem Ton.
»Welchen besseren Grund könnte es dafür wohl geben?«, gab sie zurück. »Außerdem handelt es sich um paranormale Liebesgeschichten!«
»Ich kann niemanden feuern lassen, nur weil er ein Buch nicht mag.«
»Aber er hat meine letzten sieben Bücher nicht gemocht!«, protestierte Millicent. »Er hat eindeutig Vorurteile, nicht nur mir gegenüber, sondern gegenüber dem ganzen Genre der paranormalen Liebesgeschichten. Er hat kein Recht, Rezensionen zu schreiben!«
»Vielleicht sollten Sie mit seinem Herausgeber sprechen«, schlug Jerry vor.
»Das habe ich getan! Der Idiot wollte mir nicht mal zuhören, genau wie Sie!« Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und stolzierte zur Tür hinaus.
Naja, dachte Jerry, sie können nicht alle Ernest Hemingway oder Joseph Heller sein. Außerdem: Wäre es wirklich besser, einem besoffenen und vermutlich bewaffneten Hemingway die Stirn bieten zu müssen?
Kaum dass er seine Begegnung mit Millicent Vanguard noch einmal hatte Revue passieren lassen, dachte er: vermutlich schon.
Am nächsten Tag erwarteten Jerry weitere Interaktionen mit den Verlagsautoren, denen das lesende Publikum die Bewahrung von Kultur und Sprache anvertraut hatte.
Zuerst erhielt Jerry einen Telefonanruf von James Kirkwood, der mit seiner Biografie des Senators Willis McCue aus Wisconsin zwei Jahre zu spät dran war.
»Das Buch ist mir noch nicht bekannt«, erklärte ihm Jerry. »Ich bin erst seit ein paar Tagen hier. Aber McCue will sich nächstes Jahr wieder zur Wahl stellen, und er ist in den Umfragen auf neun Punkte abgesackt. Ich glaube, Sie sollten sich besser beeilen, ehe er sein Amt verloren hat und die Leute vergessen, wer er ist oder war.«
»Sie sollten mich eigentlich ermutigen, nicht deprimieren, verdammt!«, keifte Kirkwood.
»Das tue ich doch«, erklärte Jerry in vollends sachlichem Ton. »Ich ermutige Sie, das Manuskript zu liefern.«
»Wenn ich so weit bin!«
»Merken Sie sich meine Worte: Ich weiß nicht, wie wir es verwenden sollen, wenn Sie noch lange warten.«
»Verklagen Sie mich doch einfach wegen Nichtablieferung, und ich verklage Sie wegen Schikane und seelischer Grausamkeit!«, schrie Kirkwood und knallte den Hörer auf.
Eine Stunde später erhielt Jerry eine E-Mail von Melanie Dain. Darin erklärte sie ihm, dass ihr Fünfundachtzigtausend-Worte-Roman inzwischen zweihunderttausend Worte umfasse und immer noch größer werde. Aber ihr Agent werde sich bald bei Jerry melden, um über eine Zweiteilung des Buches zu sprechen, ausgehend von der durchaus vernünftigen Überlegung, Press of the Dells werde sie dann doppelt bezahlen. Denn dann wären es ja immerhin zwei Bücher. Daraufhin erkundigte sich Jerry telefonisch bei ihr, ob der erste Band beziehungsweise die erste Hälfte, wie immer sie es nun nennen wolle, denn ein zufriedenstellendes Ende haben würde, da gewiss nicht jeder Leser beide Bände erwerben wolle. Ms Dain antwortete, das ließe sich gewiss machen – wenn er ihr Honorar verdreifache. Er legte ihr auseinander, dass die Verdreifachung des Honorars für ein einzelnes Buch, das ohne Zutun des Verlags immer länger geworden sei, keine angemessene Forderung sei. Ms Dain erwiderte ihm, dass sie nie über Geld verhandele und er mit ihrem Agenten sprechen müsse.
»Aber Sie haben doch gerade selbst das Thema Geld angesprochen«, wandte er ein. »Sie haben erst nach der doppelten und dann nach der dreifachen Summe gefragt.«
»Das ist eine Frage des Prinzips«, beschied sie ihm schelmisch. »Über Dollar und Cent verhandelt mein Agent.«
Plötzlich erschienen Jerry NASA und Washington gar nicht mehr so übel.
Die nächsten zwei Tage liefen einigermaßen glatt. Dann lieferte Schyler Mulhauser, der preisgekrönte SF-Künstler, sein Coverbild für Richard Darkmoors neuestes Buch ab.
»Wirklich nett«, bemerkte Jerry, während er das Bild betrachtete.
»Eines meiner besten«, meinte Mulhauser.
»Aber ich fürchte, wir können es nicht verwenden.«
»Warum, zum Teufel?«, verlangte Mulhauser zu erfahren. »Ich habe drei Wochen an dem verdammten Ding gearbeitet.«
»Schyler, Sie haben eine nackte Frau in die Mitte des Bildes gesetzt. Sie ist wirklich sehr schön, aber sie ist auch wirklich sehr nackt.«
»Das ist
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